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Matthias Freihof

© ddp

Interview: Freihof. „Ich finde Travestie zum Kotzen langweilig“

Das Regiedebüt des Berliner Schauspielers Matthias Freihof „Ganze Kerle“ hat am Freitag im Theater am Kurfürstendamm Premiere. Der Film- und Fernsehschauspieler Freihof („Siska“) hat das Stück der kanadischen Autorin Kerry Renards neu bearbeitet und in Szene gesetzt.

Seit „Siska“-Kommissar Lorenz Wiegand 2002 den Polizeidienst quittierte, ist der Berliner Schauspieler Matthias Freihof kaum mehr im Film und Fernsehen zu sehen gewesen. Stattdessen widmet er sich wieder verstärkt dem Theater. Für das Berliner Theater am Kurfürstendamm hat er nun die kanadische Travestie- und Männerkomödie „Ganze Kerle“ von Kerry Renards bearbeitet und auf die Bühne gebracht.

In den vergangenen Jahren haben Sie sich fast vollständig dem Theater zugewandt. Gab es dort einfach die besseren Angebote?

In dieser Form geplant war es nicht, aber ich hatte mir schon vorgenommen, nach fünf Jahren mit „Siska“ wieder Theater zu spielen. Aber dann kam eine Anfrage nach der anderen und ich rutschte von einer Inszenierung in die nächste. Und so blieb auch kaum Luft mehr für neue Fernsehdrehs.

Nichts kann peinlicher und altbackener sein als Männer im Fummel. Wie vermeidet man den banalen Karnevalsulk?

Aus diesem Grund gefiel mir auch das Originalstück nicht so sehr und ich habe es umgearbeitet. Mir war es wichtig, verschiedene Formen der Travestie zu zeigen, weshalb ich beispielsweise eine an „Tootsie“ angelehnte Figur dazu erfunden habe: einen Mann also, der völlig unerkannt in seiner Frauenfigur aufgeht. Ich wollte das Thema Travestie wegholen von „Charleys Tante“ und von flachem Schenkelklopferhumor. Stattdessen gehe ich viel mehr auf das Spiel mit den Geschlechterrollen ein.

Sind Sie denn ein Fan der Travestie?

Um ehrlich zu sein, ich finde Travestie zum Kotzen langweilig. Die ersten 15 Sekunden eines Auftritts sind spannend wegen des Wiedererkennungseffekts und der Kostüme. Die restlichen zweieinhalb Minuten, die so ein Playbackauftritt in der Regel dauert, sind für mich meist sehr öde. Deshalb halte ich die Nummern im Stück auch sehr kurz und ich habe mich bemüht, diese Auftritte reich zu bebildern und vielschichtig zu inszenieren. Es gibt klassische Travestienummern, etwa einer Marlene Dietrich und Zarah Leander, und auch die Schenkelklopfer, wie sie das Publikum natürlich auch erwartet. Daneben aber haben wir auch ungewohnte Songs eingebaut, die zu sehr rührenden Momenten führen.

„Ganze Kerle“ und auch „Venedig im Schnee“, mit dem Sie nächstes Jahr auf Tour gehen, sind Komödien. Was müssen Stücke aus diesem Genre mitbringen, damit sie für Sie interessant werden?

Tür auf, Tür zu, Mann im Schrank - so etwas interessiert mich überhaupt nicht. Komik um der Komik willen ist nicht meine Sache. Leider aber sind im klassischen Boulevard gute Geschichten und gute Figuren eher selten. Für mich werden Komödien spannend, wenn sie - ganz hochtrabend formuliert - auch gesellschaftspolitisches oder sozialkritisches Potenzial bieten, wenn sie beispielsweise Klischees vorführen und damit hinterfragen. Für mich muss es über die Komik hinaus eine Geschichte geben, die sozial konkret angelegt ist. Deshalb habe ich auch die Handlung von „Ganze Kerle“ nach Deutschland verlegt und beispielsweise auch eine ostdeutsche Figur eingebaut. Allein daraus lässt sich viel satirisches Potenzial holen.

Nach fünf Jahren Dienst als Kriminaloberkommissar Lorenz Wiegand sind Sie 2003 aus der ZDF-Krimiserie „Siska“ ausgestiegen. Andere hätten das sicherlich so lange wie möglich weiter gemacht.

Ich habe im Frühjahr in Klagenfurt in Joshua Sobols „Ghetto“ den jüdischen Lagerleiter des Ghettos von Vilnius gespielt und kurz darauf Heinrich Himmler in dem Stauffenberg-Film „Walküre“ mit Tom Cruise. Dies war ein unglaubliches Wechselbad der Gefühle und natürlich auch eine wesentlich größere Herausforderung, als fünf Jahre lang die gleiche Figur in einer Serie zu spielen.

Das Interview führte Axel Schock, ddp

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