zum Hauptinhalt
„Die spielen Katz und Maus mit Ihnen.“ Beim Maskenball der Verfassungsschützer warnt Amor (Christian Berkel, rechts) den Polizisten Paul Winter (Florian Lukas).

© BR

"Die Ermittler": Letzter Teil der NSU-Trilogie: Es gibt keine Wahrheit, es gibt Perspektiven

Der dritte und letzte Teil der NSU-Filmtrilogie in der ARD zeigt, wie Polizei und Verfassungsschutz sich gegenseitig bei der Fahndung nach dem NSU-Trio behindert haben.

NSU, der Tragödie dritter Teil. „Die Ermittler – Nur für den Dienstgebrauch“ ist nicht minder düster als die Filme über die Täter und Opfer. Und nicht weniger beunruhigend. Zwar ist er in seinem Setting fiktional, doch der Grund, auf den die Handlung aufgesetzt ist, der ist real. Ein rechtsradikales Trio zieht mordend durch Deutschland, im November 2011 erschießen sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, Tage später stellt sich Beate Zschäpe. Alle Fahndung war vergeblich oder vorgeblich, das Ende des NSU-Trios ist der Anfang aller Fragen: Warum haben die Behörden so eklatant versagt?

Ost-West-Konflikt ist eingewebt

Hier setzt der dritte Teil ein, eine Reise in die Vergangenheit, in einer Retrospektive werden die wesentlichen Aspekte in Thüringen zusammengezogen. Die Autoren Ralf Basedow, Christoph Busche und Jan Braren starten im Januar 1998, als Zielfahnder Paul Winter (Florian Lukas) gemeinsam mit seinem Vorgesetzten und Vertrauten Walter Ahler (Sylvester Groth) an die Spitze des LKA berufen werden. Drei Rechtsradikale sind untergetaucht, die Zielfahnder sollen sie finden. Sollen sie? Wie beim Schattenboxen haben Winter und Ahler mit Bremsern, ja Widersachern im eigenen Haus und beim Thüringer Verfassungsschutz zu tun. Darüber wird auch ein Ost-West-Konflikt installiert. Ahler, tituliert als „DDR-Altlast“, trifft auf sehr geschmeidige Westler wie Alexander Melchior (Florian Stetter). Der ist Verfassungsschützer und vertritt, wie sein Präsident Helmut Roewer (Ulrich Noethen), eine klare Haltung: „Manchmal muss man den Boden der Demokratie verlassen, um sie zu beschützen.“ Sein Amt hat die nach der Wende erstarkende rechte Szene mit V-Leuten infiltriert, sie wird finanziell unterstützt, um sie zugleich im Auge zu behalten und in Schach zu halten. Dass da Strukturen befördert werden, die zunehmend außer Kontrolle geraten, das wollen die Verfassungsschützer nicht wahrhaben. Um Winter und Ahler wird es einsam, ihr Einsatz gerät unter den Druck der herrschenden Kräfteverhältnisse. Sie werden aufgerieben im Kampf gegen und mit dem System, die Suche nach dem Trio wird ad acta gelegt, Ahler stirbt den Krebstod.

Erst die Selbstmorde der beiden Uwes bringen Paul Winter wieder ins Spiel. Er sieht jetzt, zusammen mit Ahlers Tochter Charlotte (Liv Lisa Fries) die Chance, zu neuer Fahndung, präziser Aufklärung und endlich zur Wahrheit zu kommen. Sisyphos rollt wieder den Stein.

Polizeifilm, Politthriller und Verschwörungstheorie

„Für den Dienstgebrauch“ ist Polizeifilm, Politthriller, die Verschwörungstheorie ist inkludiert. In der Eingangssequenz wird Martin Luthers Tintenfass-Wurf nach dem Teufel zitiert. In der Wartburg war das, drunten liegt Eisenach, das Eisenach, wo auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach dem letzten Banküberfall und vor der Selbsttötung ihr Wohnmobil geparkt hatten. Obacht, der Film erzählt von einem teuflischen Spiel. Später wird Hermann Hesses Gedicht „Im Nebel“ zitiert, es fehlt nicht an Zeitebenen noch an düsterer Metaphorik wie beim gespenstisch-rotstichigen Maskenball im Amt für Verfassungsschutz. „Die Ermittler – nur für den Dienstgebrauch“ ist ein überehrgeiziges Projekt, sehr offen in Assoziation und Spekulation, wenn die auffällige Todesrate unter den Zeugen zum Schlussbild wird.

Der Film ist stark besetzt. Florian Lukas und Sylvester Groth als Fahnder, Florian Stetter und Ulrich Noethen als Verfassungsschützer, das sind schauspielerische Kaliber, die Figuren plastisch machen, den Anspruch übers Personal absichern können. Dienstgebrauch und Dienstmissbrauch, Akribie und Arschlochhaftigkeit, der Wille zur Aufdeckung, die Macht zur Unterdrückung, im Spiel des Ensembles und in der Inszenierung von Florian Cossen kommt das Finale der NSU-Trilogie zu Kraft und Aussage, selbst wenn die Stringenz und die Intensität der vorausgehenden Täter-und-Opfer-Filme nicht erreicht werden.

Perspektiven statt Wahrheit

„Mir scheint, es steht zurzeit auf der Kippe, ob die Ermittlungen sowohl zu den Morden als auch zur Verstrickung des Staates in diesem Fall jemals die vollständige Wahrheit ans Licht bringen werden. Und wenn ein Film bestenfalls bohrende Fragen stellen kann, dann ist es genau der richtige Moment, um sich des Themas filmisch anzunehmen“, sagt Regisseur Cossen. Auch damit zeigt sich: Die eine, die eine gültige Wahrheit wird es nicht geben. Es gibt Perspektiven – was den Ermittlern wie den Vertuschern ihre Chancen gibt.

„Die Ermittler – Nur für den Dienstgebrauch“, ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15; „Der NSU-Komplex – Die Rekonstruktion einer beispiellosen Jagd“, ARD, Mittwoch, 21 Uhr 45

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false