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Überregionaler Tanker. Die "New York Times"

© REUTERS

MEDIA Lab: Geschrumpfte Redaktionen und Kompetenz-Lücken

Ein Exodus, der verkraftet sein will: Zu bedenklichen Entwicklungen bei den US-Printmedien.

Auf den ersten Blick und für sich genommen sind die Trends, die der neue Bericht des Pew Research Center zum „State of the News Media“ in den USA nach dem Ausnahme-Jahr 2020 verzeichnet, bereits spektakulär: Wie erwartet, haben Corona und die Präsidentschaftswahlen dem Fernsehen beträchtliche Zuschauer-Zuwächse beschert.

Bei den klassischen Netzwerk-Anbietern ABC, CBS und NBC betrugen sie zwischen sieben und 16 Prozent, bei den Kabel-TV-Sendern waren es bei Fox plus 61 Prozent, bei CNN plus 72 Prozent und bei MSNBC plus 31 Prozent.

Für die Zeitungen dagegen war 2020 das Jahr, in dem erstmals die Leserinnen und Leser mehr als die Inserenten bezahlt haben, um die Redaktionen und Medienunternehmen am Leben zu erhalten. Wie dramatisch die Veränderungen sind, wird jedoch erst sichtbar, wenn man die erhobenen Daten langfristig vergleicht: Zwischen 2000 und 2010 erzielten die US-Zeitungen noch vier bis fünf Mal so hohe Erlöse durch Anzeigen wie durch Abos und Einzelverkauf.

Weil diese Werbeerlöse zu Suchmaschinen und sozialen Netzwerken abgewandert sind, schrumpften die Zeitungs-Redaktionen seither um weit mehr als die Hälfte: 2006 zählten sie noch über 74 000 Mitarbeiter, 2020 waren davon noch 31 000 übrig – ein Exodus, der verkraftet sein will und an vielen Stellen Kompetenz-Lücken aufgerissen hat.

Dies vor allem in der regionalen und lokalen Berichterstattung, während die großen überregionalen Tanker wie die „New York Times“ und die „Washington Post“ ihren Personalbestand halten oder sogar ausbauen konnten.

Seit 2004 gibt es in den USA diesen Bericht zum „State of the News Media“ alle zwei Jahre, in der Schweiz erscheint seit über zehn Jahren ebenfalls ein Jahrbuch „Qualität der Medien“.

Es wäre überfällig, dass auch in Deutschland zumindest Jahr für Jahr dokumentiert würde, in welcher ökonomischen Abwärtsspirale sich der Journalismus behauptet – tapfer, aber bei genauerem Hinsehen auch bei uns mit vielen Blessuren.

Stephan Russ-Mohl

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