zum Hauptinhalt

MEDIA Lab: Blinde Flecken

Corona beherrscht die Medien. Ist der Blickwinkel der Berichterstattung damit verengt?

Bei allem Overkill an medialer Corona-Berichterstattung gibt es weiterhin blinde Flecken. Eine Studie vom Münsteraner Kommunikationswissenschaftler um Thorsten Quandt verdient vor diesem Hintergrund besondere Aufmerksamkeit. Über neun Monate hinweg haben die Forscher mit Hilfe ihrer Computer quantitativ 580 000 Facebook-Postings etablierter Nachrichtenmedien untersucht. Davon kam in 159 000 Corona vor – also in rund 27 Prozent. Das ist ein schwindelerregender Anteil, wenn man bedenkt, was tagtäglich sonst noch auf der Welt passiert. Es bestätigt neuerlich, was andere Forscher bereits für die öffentlich-rechtlichen Fernsehnachrichten herausgefunden haben: Deren Blickwinkel verengt sich unakzeptabel auf die Pandemie.

Stunde der Exekutive

Zu den spannenden Erkenntnissen der Münsteraner Medienforscher zählt, dass die Corona-Krise die Stunde der Exekutive war – wobei sich die „Stunde“ nun schon über fast ein Jahr hinzieht und gründlich durcheinander wirbelt, wer mehr und wer weniger Aufmerksamkeit in den Massenmedien und damit auch in den sozialen Netzwerken erhält. Von den Medien genannt wurden immer wieder Angela Merkel, Jens Spahn sowie die profilierteren Ministerpräsidenten und als Ausnahmeerscheinung Karl Lauterbach, der als SPD-Gesundheitsexperte durch die Talkshows tingelte und sich damit ins Rampenlicht vorarbeiten konnte – ansonsten die Virologen Christian Drosten und Hendrik Streeck sowie als Institution das Robert Koch-Institut. Die parlamentarische Opposition hatte dagegen so gut wie keine Profilierungschance. Selbst der TV-Koch und Influencer Attila Hildmann erhielt mit seinen Verschwörungstheorien, so die Forscher, mehr Medienaufmerksamkeit als die Abgeordneten der Grünen, der FDP und der Linken zusammen.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Nur einer übertraf in den untersuchten Medien selbst die Bundeskanzlerin an medialer Präsenz: US-Präsident Donald Trump war mit all seinen Lügengeschichten, Eskapaden und Hasstiraden die unangefochtene Nr. 1. Er wird nicht nur Twitter und den US-Medien als Clickbeschaffer und Quotenbringer fehlen.

Stephan Russ-Mohl

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false