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Fussball-Abo: Mein Klub, mein PC, mein Sender

Nicht länger Warten auf die „Sportschau“: Immer mehr Bundesligisten entdecken das Web-TV. Für den Fan wird die Sache am Bildschirm noch emotionaler - und teurer.

Javier Martinez war endlich in München angekommen. Noch in der Nacht absolvierte er den Medizincheck. Viele Medien versuchten den teuersten Transfer der Fußball-Bundesliga-Geschichte vor ein paar Monaten exklusiv als perfekt zu melden. Doch es war der Vereinssender FCB.tv, der Martinez in die Praxis von Sportarzt Dr. Müller-Wohlfahrt begleitete und dem er ein Interview gab. Dieses war kurze Zeit später im Internet zu sehen. Seit 2005 existiert das Web-TV des FC Bayern München. Ende Juni dieses Jahres erhielt es von der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten als erster Klub-Sender eine Rundfunklizenz. Diese erlaubt es dem Verein, das Programm seines Senders auszubauen und eigene Live-Elemente zu senden. Mittlerweile verfügen 15 von 18 Fußball-Bundesligisten über ein eigenes Web-TV-Angebot.

Zuerst waren auf den Plattformen nur Zusammenfassungen der Bundesliga-Partien zu sehen, inzwischen wird das Angebot immer vielfältiger. Home-Storys, Reportagen, exklusive Interviews sowie Spiele in voller Länge sind eher die Regel als die Ausnahme. Die Vereine professionalisieren sich. Für Schalke 04 kommentiert Jörg Seveneick alle Bundesliga-Spiele, diese sind nach Abpfiff im Netz abrufbar. Seveneick arbeitete zuvor für Liga Total! Auch andere Vereine stellen Redakteure und Reporter mit Fernseh-Erfahrung ein. Der 1. FC Nürnberg verpflichtete Katharina Prockl. Sie arbeitete zuvor für den Bayerischen Rundfunk und RTL, jetzt soll sie neue Rubriken entwickeln und dem „ClubTV“ eine feste Programmstruktur geben. Die neuen Formate heißen „Damals“, „Anpfiff“ oder „Mitfieberzentrale“.

Emotionen stehen im Mittelpunkt dieser Web-TV-Angebote, anders als in einem eher sachlichen, neunminütigen Spielbericht der ARD-„Sportschau“. Emotionen „können mit einem Produkt wie Vereins-TV besser transportiert werden“, sagt Markus Biereichel, Redakteur bei Werder Bremen. Man muss nur mal Jörg Seveneick zu hören, wie er ein Schalke-Spiel moderiert. Da wird aus einem Tor „ein geiles Ding“. Ähnlich emotional kommentiert Norbert Dickel die Spiele von Borussia Dortmund auf der Seite www.bvb.de, für das „BVB Netradio“. Nachdem er 2011 Schiedsrichter Stark einen „Blinden“ nannte, verurteilte ihn der DFB-Kontrollausschuss zu einer Geldstrafe. Darüberhinaus gibt es noch eine von Fans betriebene - kostenlose - Seite: www.borussen.tv.

Der Fan ist mit solchen medialen Angeboten nicht nur gefühlt nah an der Mannschaft. „Unser TV-Team ist bei Spielern und Stab bekannt und akzeptiert. So sind ganz andere Berichterstattungsformen möglich als mit externen Medien“, sagt Christoph Heckmann, in Hannover verantwortlich für „96TV“. Besonders beliebt seien Reportagen aus dem Trainingslager. Bis in die eigenen vier Wände der Profis kommt der „Fohlen.TV“-Zuschauer. Auf der Online-Plattform von Borussia Mönchengladbach sind Home-Storys zu sehen. So etwa eine Folge mit Filip Daems, der in seinem belgischen Heimatort Geel besucht wird. Das eigene Klub-TV bietet für die Bundesligisten auch eine Möglichkeit, sich Fans im Ausland zu präsentieren. So spricht Verteidiger Atsuto Uchida auf der Plattform von Schalke 04 seine japanischen Fans in deren Heimatsprache an. Bayern München produziert wöchentlich eine dreistündige FCB.tv-Sendung, die sich speziell an ausländische Fans richtet.

Die Web-TV-Angebote der Bundesliga-Klubs sind on Demand, das heißt jederzeit abrufbar. Sie fallen unter das Telemediengesetz und bedürfen keiner Rundfunklizenz. Das ändert sich, sobald ein strukturiertes Live-Programm gesendet wird. Wann eine Lizenz erforderlich wird, müsse im Einzelfall entschieden werden, sagt Friederike Grothe, Sprecherin der Medienanstalten. Derzeit gibt es kein laufendes Antragsverfahren, doch das kann sich bald ändern. Werder Bremen stellt sein Angebot auf HD um und der VfB Stuttgart weiht demnächst das eigene TV-Studio ein.

Wirtschaftlich lohnt sich die Investition bisher nur für Bayern München. FCB.tv habe rund 35 000 Abonnenten, heißt es aus Vereinskreisen. Dort, wo das Angebot ein Verlustgeschäft ist, spricht man von Fanbindung und Imagegewinn. Tatsächlich legen die Fans inzwischen Wert auf eigenes Klub-TV. Das zeigt sich dort, wo es bisher noch keines gibt. „Der Wunsch nach Web-TV ist sehr groß“, sagt Jan Schneider, zuständig für Neue Medien bei Eintracht Frankfurt. Fans hätten im Internet viele Ideen für ein Programm zusammengetragen. Sollte das auf Sendung gehen, müssten die Zuschauer wohl zunächst ein Abo abschließen. Fast alle Online-TV-Sender sind kostenpflichtig. Die Jahresgebühr liegt bei rund 40 Euro.

Zwar besitzen die Bundesligisten Rechte am Bildmaterial, doch greifen viele von ihnen auf von Liga Total! produzierte Berichte zurück. Am Ende der Saison laufen die Übertragungsrechte des Telekom-Senders aus. Wie es dann weitergeht, ist unklar. „Ziel ist es, Fans auch in den kommenden Saisons mit Bildern rund um unsere Mannschaft zu versorgen“, sagt Christoph Heckmann von „96TV“. Es bieten sich mehrere Modelle an. Eines ist eine Kooperation mit dem Pay-TV-Sender Sky, der ab der kommenden Saison die bisher von Liga Total! genutzten IPTV-Verwertungsrechte besitzt. Derzeit beliefert Sky zwei Vereine mit Bildmaterial, den SC Freiburg und Greuther Fürth. Dass man so mögliche Mitbewerber unterstützt, glaubt Sky-Sprecher Thomas Kuhnert nicht: „Kern unserer Berichterstattung sind die Live-Übertragungen, ein Service, den die Web-TV-Angebote der Vereine nicht bieten.“ Ähnlich entspannt sieht man die Dinge bei Axel Springer. Ab der kommenden Saison wird Bild online eine Stunde nach Abpfiff Zusammenfassungen aller Spiele im Netz zeigen. „Bei uns finden die Fans alles auf einer Bühne“, sagt Sprecher Tobias Fröhlich. Doch für den Fan, der nur die Spiele seiner Mannschaft sehen möchte, wird das Klub-TV zur ernsthaften Alternative.

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