zum Hauptinhalt
Musiker Gil Ofarim beim Prozessauftakt im Landesgericht Leipzig.

© Reuters/Annegret Hilse

Update

Gil Ofarim wegen Verleumdung vor Gericht: „Es geht um die Diskriminierungserfahrung“ – Anwalt weist alle Vorwürfe zurück

Der Musiker Gil Ofarim behauptet, in einem Leipziger Hotel antisemitisch beleidigt worden zu sein. Die Staatsanwaltschaft glaubt ihm nicht. Nun sitzt Ofarim selbst auf der Anklagebank.

| Update:

Nach Eröffnung des Prozesses gegen den jüdischen Sänger Gil Ofarim hat sich dessen Verteidiger vor dem Landgericht Leipzig zu den Vorwürfen geäußert. Bei dem Fall handle es sich um einen „klassischen Fall von Aussage gegen Aussage“, sagte Rechtsanwalt Alexander Stevens am Dienstag nach Verlesung der Anklage. Sei während des Vorfalls vor gut zwei Jahren ein diskriminierendes Wort gefallen, so sei sein Mandant freizusprechen, betonte der Rechtsanwalt.

Vor gut zwei Jahren hat Ofarim schwere Antisemitismusvorwürfe gegen einen Mitarbeiter eines Leipziger Hotels erhoben. Der Fall hatte deutschlandweit hohe Wellen geschlagen. Ofarim hatte am 4. Oktober 2021 in einem viral gegangenen Video geschildert, dass ein Mitarbeiter eines Leipziger Hotels ihn aufgefordert habe, seine Kette mit Davidstern abzunehmen, damit er einchecken könne.

Der Musiker erstattete später Anzeige, aber auch der betroffene Hotelmitarbeiter wehrte sich und zeigte seinerseits den Musiker wegen Verleumdung an.

Die Staatsanwaltschaft hatte umfangreich ermittelt. Es sei herausgekommen, dass sich der angebliche Antisemitismus-Vorfall in dem Hotel nicht so zugetragen habe, wie der Musiker es in dem Video geschildert hatte, hieß es. Das Ermittlungsverfahren gegen den Hotelmitarbeiter wurde eingestellt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 41 Jahre alten Ofarim unter anderem falsche Verdächtigung und Verleumdung vor.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Möglich sei, dass es sich bei dem Fall um ein Missverständnis oder schlechten Humor handele - oder eben doch um eine „antisemitische Anspielung“, sagte der Anwalt von Ofarim am Dienstag. Für die Gesellschaft sei es wichtig, dass das Gericht die Wahrheit ermittle.

Musiker Gil Ofarim beim Prozessauftakt mit seinem Anwalt Alexander Stevens.

© Imago/EHL Media/Erik-Holm Langhof

Außerdem betonte der Rechtsanwalt, es gehe „nicht um den Stern, sondern um die Diskriminierungserfahrung“. Mobbing und Diskriminierung seien - besonders für Opfer - schwer nachzuweisen. Die öffentliche Meinung sei in dem Fall von mehreren Lügen bestimmt.

So sei es beispielsweise falsch, dass das Hotel nach dem Vorfall ergebnisoffen und fair ermittelt habe. Auch halte die Verteidigung es für „völlig unplausibel“, dass sich der Vorfall so abgespielt habe, wie es der Hotelmitarbeiter geschildert habe.

Der Vorfall zwischen Ofarim und dem Hotelmitarbeiter ereignete sich vor knapp zwei Jahren im Leipziger „Westin“-Hotel.

© Imago/Star-Media

Ofarim-Verteidiger kritisiert Medien

Kritik übte er auch an den Medien, die seines Erachtens mit Lügen die öffentliche Meinung bestimmten und seinen Mandanten diskreditierten. Der Anwalt zog Vergleiche mit metoo-Fällen und äußerte Zweifel, ob in dem Prozess die Wahrheit tatsächlich ans Licht kommen werde. „Der Fall war von Anfang an geprägt vom Kampf um die Wahrheit, um die Deutungshoheit über die Wahrheit.“ Ofarim selbst verzichtete zunächst auf eine Aussage.

Das Gericht hat in dem Verfahren bis zum 7. Dezember zehn Verhandlungstage angesetzt. Der Vorsitzende Richter hatte nach Verlesung der Anklage erklärt, es sei eine „allgemeinkundige Tatsache“, dass in allen Schichten und Strömungen in Deutschland offener und verdeckter Antisemitismus anzutreffen sei.

Wenige Tage vor dem Prozessauftakt hatte der Musiker an seinen Vorwürfen festgehalten. „Ich weiß, was mir passiert ist. Es ging mir nicht um den Mitarbeiter, sondern um Antisemitismus“, hatte der 41-Jährige der „Welt am Sonntag“ gesagt. Er sei froh, dass jetzt viel herauskommen werde, was bisher nicht gesagt oder geschrieben worden sei. Er habe Vertrauen in die Justiz.

„Ich habe nicht im Ansatz damit gerechnet, was dieses Video auslösen würde. Und ich würde es wieder tun“, sagte Ofarim in dem Zeitungsinterview. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung. (dpa, KNA)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false