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Ferdinand Schmalz am Mittwochabend beim Halten seiner Rede zur Literatur.

© Johannes Puch/ORF

Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb: Die Erkenntnis einer Leberwurst

Wie sich eine Schreibkrise vom Dauerkrisenmodus unserer Zeit unterscheidet: die Rede zur Literatur von Ferdinand Schmalz. Heute geht es in Klagenfurt los mit den ersten Lesungen.

Es wirkt an diesem Abend im Klagenfurter ORF-Studio zunächst so, als wolle Ferdinand Schmalz das Sentenzen- und Flachbildgewitter seiner Vorrednerinnen und Vorredner bei der Eröffnung des 48. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs kurzerhand fortsetzen. Nichts eingefallen sei ihm, als er sich an das Schreiben seiner Rede zur Literatur gesetzt habe. Dabei hatte er doch eine Rede geplant, „in der vor lauter Wut die Karawanken ins Wanken kommen und der Wörthersee um Worte ringt“.

Das hätte auch von einem der Sponsoren des Wettbewerbs kommen können. Oder von der hiesigen ORF-Landesdirektorin Karin Bernard, die trotz eines schönen Verweises auf den im Mai verstorbenen österreichischen Schriftsteller Walter Kappacher nicht umhin kam zu sagen, dass die Mitglieder der Jury für sie „Feldvermesser und Wünschelrutengeher“ seien, „die im weiten Feld der Sprache den Wasseradern der Qualität nachspüren“.

Schmalz setzt die Erzählung seiner Schreibkrise lange fort: die Auseinandersetzung mit einer solchen, wie diese sich in den Text selbst einschreibt, wie wichtig eine Schreibkrise ist, wie wichtig die Texte sind, „die ihre Krisen offenlegen, in dem sie eben nicht eindeutig sind, sondern ein ,so oder so’ zulassen, in dem sie etwas von einem Garten haben, durch den die Leser*innenschaft ihren je eigenen Weg finden muss“.

Man mochte sich da einmal mehr bestätigt fühlen, dass es vielleicht nicht die beste Idee ist, einstige Bachmannpreisgewinner- oder gewinnerinnen für diese doch recht erwartungsfördernd „Rede zur Literatur“ genannten Eröffnungsansprachen zu verpflichten.

Lob der Schreibkrise

Literaturverweise hat Schmalz immerhin, und die Kurve bekommt er schließlich auch noch, als er seine Schreibkrise oder die anderer kurzschließt mit den Krisen, mit dem andauernden Krisenmodus, in dem sich insbesondere die westlichen Gesellschaften und Demokratien gerade befinden.

Ein hohes Lied auf die Schreibkrise singt Schmalz, da diese ultimativ sei, anders als die anderen Krisen, in oder nach denen immer weitergemacht werde. Und er konstatiert: „Was aber die gegenwärtigen gesellschaftlichen Krisen von Schreibkrisen unterscheidet, ist, dass sie nicht Teil eines formgebenden Prozesses sind, sondern dass sie uns formlos zurücklassen.“

Hm, wenn das kein Quatsch ist, den Schmalz hier erzählt. Er selbst erwähnt schließlich die allgemeine Abstumpfung, „wenn die Nachrichten vermieden, wenn die Wahlen unterwandert, die Demokratien unterhöhlt werden“.

Eine gewisse Form haben natürlich auch diese Resultate der Abstumpfung, selbst wenn diese Form als solche nicht so leicht erkennbar ist wie die etwas antiquierten Formbemühungen von Schmalz: ein bisschen Thomas-Bernhard-Sound, um des Kunstcharakters willens alles konsequent kleingeschrieben, wie man nachlesen kann. Und mit einer Pointe versehen, aus der sich der zugegebenermaßen schön alberne Titel seiner Rede ableitet: „Hoppla, die Leberwurst“.

Das nämlich haben die Kinder von Schmalz aus Paul McCartneys Song „Hope of Deliverance“ gemacht, „Hoppla, die Leberwurst“, für den seligen, schreibkrisengeplagten Vater am Ende ein „erkenntnisreiches Nicht-Verstehen“. Damit dürfte die Jury dieser Bachmannpreis-Tage im Ingeborg-Bachmann-Park gut arbeiten und sich durch diesen einen Weg schlagen können. Ob es am Ende auch die Größe des diesjährigen Siegertextes ausmacht, sei dahingestellt.

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