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Der Außenminister von Polen: Radoslaw Sikorski.

© dpa/Kay Nietfeld

Außenminister Sikorski appelliert an Scholz: Polen hofft weiter auf deutsche Marschflugkörper Taurus für die Ukraine

Die USA haben Kiews Truppen weiter reichende Raketen geliefert, der Kanzler lehnt es weiter vehement ab, das deutsche System zu stellen. Das Nachbarland setzt auf einen Sinneswandel.

Nach der Lieferung von weiterreichenden ATACMS-Raketen durch die USA an die Ukraine und der zunehmenden Überlegenheit der russischen Truppen wächst der Druck auf die europäischen Verbündeten, die Hilfen für die Regierung in Kiew weiter zu forcieren.

Polens Außenminister Radoslaw Sikorski setzt nun auf Bewegung auch in der deutschen Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern der Bundeswehr an die Ukraine.

Ich hoffe, der Kanzler fühlt sich durch die Ereignisse der letzten Tage ermutigt.

Radoslaw Sikorski, Polens Außenminister

Sikorski sagte, er setze darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) doch noch seine Meinung ändert und dem angegriffenen Land deutsche Taurus nicht länger verweigert. „Ich hoffe, der Kanzler fühlt sich durch die Ereignisse der letzten Tage ermutigt“, sagte Sikorski in einem Interview der „Bild am Sonntag“ und anderer Axel-Springer-Medien in Warschau.

Die Lieferung von US-ATACMS-Raketen an die Ukraine bezeichnete Sikorski als „Reaktion auf die russische Eskalation“ in der Ukraine, auf die auch Deutschland reagieren müsse.

Washington hatte am Mittwoch die Lieferung von Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern an die Ukraine bekannt gegeben. Zuvor hatten die USA nur Raketen dieses Typs mit einer Reichweite von 165 Kilometern geliefert. Der Taurus hat eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern.

Die Regierung in Kiew bittet seit Monaten dringend um das deutsche Waffensystem. Derzeit gilt nur maximal ein Viertel der rund 600 Taurus-Marschflugkörper der Bundeswehr als sofort einsatzbereit. Offiziell bestätigte Zahlen dazu gibt es nicht.

Mit seiner Reichweite könnte der Taurus russisches Staatsgebiet von der Ukraine aus erreichen und etwa dortige Waffendepots und Kommandozentralen zerstören. Der mögliche Beschuss von russischem Staatsgebiet ist ein Grund für Scholz, der Lieferung nicht zuzustimmen.

Als weiteres Argument nennt er die aus seiner Sicht bestehende Notwendigkeit deutscher Beteiligung bei der Zielführung der Marschflugkörper, durch die Bundeswehr-Angehörige direkt an Einsätze beteiligt wären. Befürworter von Taurus-Lieferungen weisen diese Argumente zurück.

Der polnische Außenminister sagte weiter: „Die Russen haben bereits 70 Prozent der ukrainischen Stromerzeugungskapazität abgeschaltet. Das ist eigentlich ein Kriegsverbrechen.“ In Berlin habe eine Konferenz über den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg stattgefunden. Besser wäre es aber, die Zerstörung des Landes zu verhindern, gab der polnische Außenminister zu bedenken.

Polen fordert Härte gegenüber Putin

Im Umgang mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als Angreifer im Ukraine-Krieg müsse man hart sein. „Ich denke, wir wissen jetzt alle, dass Putin nur auf Druck, auf die härtesten Argumente der rohen Macht reagiert.“

Sorgen vor dem Einsatz russischer Atomwaffen in der Ukraine wies der polnische Außenminister zurück. Es gebe keine Hinweise darauf, dass nukleare Sprengköpfe aus den Depots geholt würden, sagte Sikorski. „Sollten sie das tun, wüssten wir es.“

Am Samstag hatte auch der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, Scholz aufgefordert, sein Nein zu überdenken. Der ehemalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen berichtete zudem von Unverständnis in der US-Regierung und bei den Republikanern über die Haltung des Kanzlers.

Scholz hatte seine Haltung am Samstag noch einmal bekräftigt. „Es gibt Waffen, die kann man nur liefern, wenn man über alles, was damit gemacht wird, die Kontrolle behält“, sagte der Kanzler auf einer SPD-Veranstaltung in Lüneburg. „Taurus ist ein Marschflugkörper, der 500 Kilometer weit fliegen kann, wenn man das richtig macht“, fügte er hinzu.

Das Waffensystem sei so effektiv und präzise, dass man „direkt ein Wohnzimmer ansteuern“ könne. „Das ist nur verantwortlich, wenn wir die Kontrolle über die Zielsteuerung behalten. Das dürfen wir aber nicht machen“, betonte der SPD-Politiker. „Wenn wir das täten, wären wir beteiligt an dem Krieg.“ (lem)

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