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Neujahrssendung im russischen Fernsehen

© Screenshot / Twitter

Ukraine-Invasion Tag 314: Der zynische Totentanz im russischen Propaganda-TV

Militärblogger kritisieren Armeeführung in Moskau, erstes LNG aus den USA, Pläne für deutsche Flugabwehr kommen voran. Der Überblick am Abend.

Das russische Fernsehen wartete am Silvesterabend mit einer ganz besonderen Inszenierung auf. Zahlreiche prominente Kremlpropagandisten waren in der zentralen Festsendung zu Gast - unter anderem die Moderatorin der meistgesehen Talkrunde im russischen Fernsehen Olga Skabejewa (mehr über sie hier) und ihr Mann - und Vertreter des russischen Militärs. 

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Auf der Bühne wurde viel getanzt, gehopst, gesungen, gelacht und mit Röckchen gewedelt. Unter anderem trat eine Tanzgruppe auf, die Ukrainer in einem Volkslied nachäffte. Die Stimmung unter den Gästen war ausgelassen. Die Militärs klatschten nach den Darbietungen begeistert in die Hände. Auch als der Gastgeber der Sendung an den Westen gerichtet in die Kamera einen Trinkspruch vorbrachte, gab es Applaus und ausgelassenes Gelächter im Publikum: „Gentlemen, ob es euch gefällt oder nicht – Russland expandiert.“

Es war ein zynischer Totentanz, der da stattfand.

Nur wenige Stunden nach Ausstrahlung der Sendung töteten ukrainische Raketen mehrere hundert russische Soldaten an mindestens zwei Orten in der Ukraine. Laut Angaben aus Kiew könnten es bis zu 1000 Tote sein.

Die Soldaten waren offenbar ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen in großen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht (mehr dazu weiter unten in den Analysen). Neben einer der Unterkünfte befand sich ein großes Munitionsdepot, dessen Explosion wohl viele in den Tod riss. Die Soldaten sollen russischen Angaben zufolge vor allem Rekruten gewesen sein. Ihre Handyaktivität verriet wohl ihren Standort. Manche von ihnen werden kurz vor dem Einschlag der Raketen mit ihren Familien ein letztes Mal Kontakt gehabt haben. Zugespitzt: Die Männer ereilte der Tod, während Putins Propapanda-TV seinen Eroberungsfeldzug feierte.

In einer weiteren TV-Sendung nach Neujahr schien der Mann von Olga Skabejewa auf die Vorfälle direkt Bezug nehmen. „Man wird mich für das, was ich jetzt sage, wahrscheinlich angreifen“, sagte er. Und dann: „Das Leben ist vollkommen überschätzt.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • In der russischen Stadt Samara hat es eine Trauerfeier für die Soldaten gegeben, die zu Silvester im von Moskau besetzten Gebiet der Ukraine bei einem Angriff Kiewer Truppen ums Leben kamen (im Bild oben). „Wir zerschlagen den Feind“, versicherte eine Rednerin, eine Generalsgattin, lokalen Medien zufolge bei der Veranstaltung am Dienstag. Zur von kremlnahen Organisationen abgehaltenen Kundgebung kamen demnach etwa 500 Menschen. Mehr in unserem Liveblog.
  • Am neuen LNG-Terminal in Wilhelmshaven ist das erste Erdgas aus den USA angekommen. Der mit 170.000 Kubikmeter Flüssigerdgas (LNG) beladene Tanker „Maria Energy“ traf am Dienstag dort ein, wie die Betreiberfirma der Terminals, Uniper, erklärte. Das Flüssiggas wird nun auf das Spezialschiff „Höegh Esperanza“ verladen. Dieses macht das LNG wieder gasförmig und speist es dann ins deutsche Gasnetz ein. In Gasform entspricht die Ladung der „Maria Energy“ gut 97 Millionen Kubikmetern. Laut Uniper reicht das, um rund 50.000 Haushalte ein Jahr lang zu versorgen. 
  • Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat seinem neuen israelischen Amtskollegen Eli Cohen am Dienstag zu dessen Ernennung gratuliert. Das Telefongespräch war der erste Kontakt dieser Art seit einem Eklat im Mai letzten Jahres, als Äußerungen Lawrows als antisemitisch kritisiert worden waren. 
  • Ein entscheidender Durchbruch des russischen Militärs nahe der umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut ist in den kommenden Wochen nach Ansicht britischer Militärexperten unwahrscheinlich. Das ging am Dienstag aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hervor. 
  • Als Lehre aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fordert der Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, eine bei weitem intensivere militärische Zusammenarbeit in der EU. „Die EU-Staaten müssen jetzt endlich den Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion angehen“, sagte Weber der Mediengruppe Bayern. Dabei müsse es gemeinsame EU-Regeln für den Export von Rüstungsgütern geben, damit eine gemeinsame europäische Wehrindustrie entstehe. 
  • Die Pläne der Bundesregierung für einen Kauf des israelischen Flugabwehrsystems „Arrow 3“ kommen voran. Inzwischen gibt es aus den USA eine Freigabe zur Informationsweitergabe an Deutschland, wie der Deutschen Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen in Berlin erklärt wurde. Dabei gehe es um die Beantwortung technischer Aspekte des Waffensystems, zu dem aus den USA Bauteile zugeliefert werden. Deswegen ist eine Zustimmung der US-Regierung für den Verkauf nötig.

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