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Protest in Belgrad gegen den EU-Plan, der Kosovo und Serbien zur Kooperation verpflichtet.

© AFP/Andrej Isaković

Weiter Streit um Kosovo: Nationalisten bekämpfen Kompromiss

Nach ihrer Zwangseinigung am Ohridsee streiten sich Kosovos Premier und Serbiens Präsident erneut. Die EU reagiert genervt.

Schwarze Rauchbomben nebelten am Wochenenden den Regierungssitz in Kosovos Hauptstadt Pristina ein. Wütende Demonstranten hatten sie geworfen, um „das Dunkel“ sichtbar zu machen, in das Premier Albin Kurti das Land geführt habe. „Kurti hat sich ergeben“, warf Dardan Molicaj, der Chef der von der regierenden Vetevendosje abgespaltenen SDP, seinem einstigen Mitstreiter vor, holte die Landesflagge ein und hisste stattdessen eine weiße Fahne.


Eine Woche zuvor hatten Kosovos Premier Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sich am mazedonischen Ohridsee auf starken Druck des Westens auf einen Fahrplan geeinigt, wie der EU-Plan zur Normalisierung der labilen Beziehungen der einstigen Kriegsgegner umzusetzen sei. Wie Kurti sieht sich auch Vučić im eigenen Land Verratsvorwürfen ausgesetzt. Um ihre Kritiker zu besänftigen, versuchen nun die beiden Dauerstreithähne, die Zugeständnisse zu relativieren, die man ihnen abgenötigt hat, und überziehen sich gegenseitig mit Vorwürfen.    

Torten und Molotow-Cocktails

Ihr Zwist entzündet sich an der Unterschrift, die Vučić in Ohrid verweigert hatte. Er habe bewusst weder den EU-Plan noch die dazu gehörigen Anlagen abgezeichnet, weil Kosovo „kein international anerkannter Staat“ sei, brüstete sich Vučić sofort nach der Rückkehr aus Ohrid auf einer Pressekonferenz: Es sei schwer nachzuweisen, dass das Abkommen ohne Unterschriften existiere, auch wenn „Serbien zu dessen Umsetzung bereit“ sei – jedenfalls bis zu Belgrads „roten Linien“.

Ich habe einen unerträglichen Schmerz in der rechten Hand, mit der ich unterschreibe.

Aleksandar  Vučić, Präsident Serbiens

2020 hatte Vučić in Washington noch keine Probleme gehabt, am Katzentisch des damaligen Präsidenten Donald Trump gemeinsam mit dem damaligen Kosovo-Premier Avdullah Hoti bilaterale Verträge mit den USA abzuzeichnen. Auch damals ging es um eine bessere Kooperation zwischen Belgrad und Pristina. Jetzt schloss Vučić auch für die Zukunft aus, dass er den EU-Kosovo-Plan unterzeichnen werde. „Ich habe einen unerträglichen Schmerz in der rechten Hand, mit der ich unterschreibe. Dieser Schmerz wird sich in den nächsten vier Jahren fortsetzen.“

„Aca, der Lügner“ steht auf Plakaten in Belgrad, die  Vučić – ähnlich wie Kurti in Pristina - mit langer Pinocchio-Nase zeigen. Serbische Nationalisten werfen dem autoritären Präsidenten „Verrat“ vor, weil er die Eigenstaatlichkeit des seit 2008 unabhängigen Kosovo faktisch anerkannt habe, was Belgrad bisher ablehnt. In Pristina steht auch Kurti wegen einer Kehrtwende in der Kritik, die er zuvor stets ausgeschlossen hatte: einen Verband der serbischen Kosovo-Kommunen zu schaffen.

EU: Macht euch an die Arbeit!

Weil Kurti sich in Ohrid dazu generell bereit erklärt hat, droht ein ehemaliger Berater dem Premier gar mit einem Molotowcocktail-Anschlag. Kurtis Stellvertreter Besnik Bislimi wurde letzte Woche bereits mit einer Torte beworfen.  

Auch die Kritik, der sie sich der Heimat ausgesetzt sehen, lässt die beiden Kontrahenten auffällig dünnhäutig agieren – und vor der Umsetzung der Vereinbarung erst Vorleistungen der anderen Seite fordern. Einerseits, erregt sich Kurti, habe Vučić in Ohrid die erzielten Vereinbarungen nicht unterzeichnen wollen. Andererseits behaupte er nun, dass er es umsetzen werde. „Ist er ein Doktor No oder ein Mister Njet?“, fragt Kurti in Anspielung auf die den prorussischen Gegenspieler: „Wir wissen auf jeden Fall, dass er kein Doktor ist.“

Die EU scheint derweil vom endlosen Nachkarten ihrer Problemschützlinge vor allem genervt. Die Vereinbarung sei erzielt, rechtlich bindend und müsse „vollständig umgesetzt“ werden, stellt der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell klar: „Wir werden sorgfältig beobachten, wer was umsetzt – und wer nicht. Ich empfehle beiden Seiten, nicht mit dem Finger auf den anderen zu zeigen, sondern sich an die eigene Arbeit zu machen.“

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