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Der britische Premier Rishi Sunak

© AFP/LEON NEAL

Update

Wett-Skandal in Großbritannien: Sunaks Wahlkampfleiter lässt sich kurz vor Parlamentswahl beurlauben

Die britische Glücksspielkommission ermittelt wegen mutmaßlich betrügerischen Wetten auf den Zeitpunkt der Parlamentswahl. Die Opposition fordert von Sunak eine Untersuchung.

In Großbritannien ziehen Berichte über mutmaßlich betrügerische Wetten auf den Zeitpunkt der Parlamentswahl immer weitere Kreise: Der Wahlkampfleiter von Premierminister Rishi Sunak lässt seinen Posten nach Berichten über Ermittlungen gegen sich und seine Frau vorübergehend ruhen.

Die Wahlkampfzentrale der Konservativen erklärte am Donnerstag, Tony Lee habe sich am Mittwoch „beurlauben lassen“. Während die Glücksspielkommission des Landes nach eigenen Angaben „eine Reihe von Personen“ überprüft, werden Forderungen führender Oppositionspolitiker nach einer Untersuchung immer lauter.

In der vergangenen Woche hatte die Glücksspielkommission sich bereits mit Vorwürfen befasst, dass ein konservativer Kandidat und Berater Sunaks darauf gewettet hatte, wann die Wahl stattfinden würde. Die Kommission geht dem Verdacht nach, dass der konservative Kandidat und Sunak-Berater Craig Williams drei Tage vor der Wahltermin-Bekanntgabe einen Wetteinsatz von hundert Pfund (118 Euro) auf einen Wahltermin im Juli tätigte.

Ein mit dem Personenschutz des Regierungschefs beauftragter Polizist und eine Kandidatin von Sunaks konservativer Partei wurden am Mittwochabend dann als weitere Verdachtsfälle bekannt. Die Aufsichtsbehörde nannte zwar keine Namen. Doch einem Bericht der BBC zufolge wird sowohl gegen Sunaks Wahlkampfberater Lee als auch gegen seine Ehefrau Laura Saunders ermittelt.

Eine Untersuchung ist notwendig, um herauszufinden, wer was und wann wusste.

Daisy Cooper, Vize-Chefin der Liberaldemokraten

Mit Saunders stünde eine zweite konservative Kandidatin damit ebenfalls im Fokus von Ermittlungen bezüglich einer mutmaßlichen Wette auf den Wahlzeitpunkt, berichtete die BBC am Mittwochabend. Die Partei bestätigte dem Sender, dass die Kommission sie bezüglich einer „kleinen Anzahl von Personen“ kontaktiert habe, machte aber keine weiteren Angaben.

Sunak hatte vor rund einem Monat angekündigt, dass die britische Parlamentswahl am 4. Juli abgehalten werde. Damit überraschte er seine eigene Partei, da der Premier noch sechs Monate Zeit für das Ausrufen des Urnengangs gehabt hätte. Es wird erwartet, dass die konservativen Tories nach 14 Jahren die Macht verlieren – Umfragen sehen die oppositionelle Labour-Partei durchgehend mit großem Vorsprung vor Sunaks Partei.

Beschuldigter Polizist nach Festnahme auf Kaution entlassen

Die Londoner Metropolitan Police gab zudem bekannt, dass die Glücksspielkommission ihr mitgeteilt habe, dass wegen mutmaßlicher Wetten auf den Wahltermin gegen einen für Sunaks Personenschutzeinheit arbeitenden Beamten ermittelt werde. Der Mann sei nicht mehr im Einsatz.

Der Polizist wurde wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch festgenommen, ist aber inzwischen auf Kaution freigelassen worden. Sein Fall wurde offiziellen Angaben zufolge einer unabhängigen Stelle für polizeiliches Fehlverhalten übergeben.

Politische Wetten sind im Vereinigten Königreich erlaubt, auch auf den Wahltermin. Doch die Nutzung von Insiderwissen zu diesem Zweck ist illegal. Die formelle Untersuchung bringt Sunak nun weiter in Bedrängnis.

Opposition fordert Untersuchung

Die Situation sehe „nicht gut aus“, räumte Wohnungsbauminister Michael Gove am Donnerstag auf der Wahlkampftour gegenüber Reportern ein. Er könne sich aber nicht zu Einzelheiten äußern. Zuvor hatte die BBC Gove mit den Worten zitiert, es sei im Allgemeinen „verwerflich“, Insider-Informationen für Wetten zu nutzen.

Der Vorsitzende der britischen oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer, spricht bei der Vorstellung des Manifests der Labour-Partei in Manchester (Archivbild).

© REUTERS/Phil Noble

Labour-Chef Keir Starmer, der laut Umfragen gute Chancen hat, als Sunaks Nachfolger in die Downing Street einzuziehen, forderte den Premierminister auf, seine Unterstützung für die mutmaßlich Beteiligten zurückzunehmen und eine Untersuchung anzuordnen. „Es ist erstaunlich, dass wir uns in dieser Lage befinden“, sagte Starmer. „Die Regierung, Rishi Sunak, muss einfach Maßnahmen ergreifen. Er muss Rechenschaft darüber ablegen, wer genau, was wusste.“

Er (Rishi Sunak) muss Rechenschaft darüber ablegen, wer genau, was wusste.

Labour-Chef Keir Starmer

Der Wahlkampfkoordinator der Labour-Partei, Pat McFadden, wandte sich in einem separaten Schreiben an Sunak. Darin bezeichnete er die Vorwürfe als „ein Verhaltensmuster“ der Tories, die auf „schnellen Profit“ aus seien.

Laut dem Chef der oppositionellen Liberaldemokraten, Ed Davey, haben die Vorwürfe einen Beigeschmack von „Korruption“. „Es muss eine harte Hand von oben kommen“, forderte er. Auch die Vize-Chefin der Liberaldemokraten, Daisy Cooper, forderte Sunak zu einer Untersuchung auf. „Das klingt nach noch mehr Filz. Eine Untersuchung ist notwendig, um herauszufinden, wer was und wann wusste“, sagte sie.

Sunak könnte bei Wahl Sitz verlieren

Bei der Parlamentswahl in Großbritannien könnte Premier Sunak einer Umfrage zufolge als erster amtierender Premierminister der Geschichte seinen Sitz verlieren. Die Zeitung „Telegraph“ veröffentlichte am Mittwoch eine Savanta-Umfrage, wonach Sunak am 4. Juli in seinem Wahlkreis in Nordengland den Kürzeren ziehen dürfte.

Blick über die nordenglische Stadt Richmond: der Wahlkreis von Premierminister Rishi Sunak

© dpa/Benedikt von Imhoff

Allerdings werde ein sehr knappes Ergebnis erwartet. Dies gelte für insgesamt 100 der 650 Sitze im Unterhaus, wo deswegen Vorhersagen schwierig seien. Befragt wurden etwa 18.000 Personen vom 7. bis zum 18. Juni.

Allgemein sagen Meinungsforschungsinstitute eine vernichtende Niederlage für Sunaks Konservative voraus. Savanta geht davon aus, dass sie nur noch über 53 Sitze verfügen werden, während Labour auf 516 kommen dürfte. Eine ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte Erhebung von YouGov geht von 425 Sitzen für Labour aus, was immer noch die größte Zahl in ihrer Geschichte sein würde. Demnach kämen die Konservativen auf 108 Sitze

Wegen des „First-Past-The-Post“-Wahlsystems in Großbritannien droht den Konservativen bei der Verteilung der Sitze eine noch deutlichere Niederlage, als es Prozentzahlen bei Umfragen suggerieren.

Ähnlich wie in den USA und Indien geht der jeweilige Sitz eines Wahlkreises an den Kandidaten, der dort die meisten Stimmen erhält. Damit muss die Mehrheitsverteilung im Parlament nicht der Beliebtheit der Parteien in der Bevölkerung entsprechen. (Tsp, dpa, Reuters, AFP)

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