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Kultur: Der Freund und Helfer Wummernde Farben, tanzendes Salz Eine Würdigung des Klangpioniers Rolf Julius

Im unverbindlichen Kunstbetrieb setzt Hans-Jörg Clement auf langfristige Zusammenarbeit

Sie geben Geld und ermöglichen, dass junge Künstler für eine Weile ohne finanziellen Druck arbeiten können: Berliner Stiftungen und andere Institutionen, bei denen man sich für Stipendien oder Ateliers bewerben kann. In unserer Sommerserie stellen wir diese fördernden Einrichtungen vor – und die Menschen, die ihnen ein Gesicht geben.

Ein wenig knurrig schaut sie schon, die Grünen-Politikerin Alice Ströver, als sie die Konrad-Adenauer-Stiftung verlässt. Nicht weil sich die streitbare Vorsitzende des Kulturausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus gerade mit einem Christdemokraten eine heftige Auseinandersetzung geliefert hätte. Nein, im Gegenteil. Eigentlich war die kunstsinnige Politikerin gekommen, um sich eine Ausstellungen anzuschauen – und ein Werk zu erwerben. Denn auch dafür ist der Berliner Sitz der Konrad-Adenauer-Stiftung am Tiergarten bekannt: dass hier Kunst gezeigt wird, die man einmal im Jahr günstig kaufen kann.

Derweil hält Hans-Jörg Clement, Leiter des Kulturprogramms, im Foyer eine flammende Rede und ruft dem Vernissagenpublikum zu, dass es schleunigst zugreifen möge. Das Geld fließe ohne Abzüge wieder in die Kunst, komme unmittelbar den Stipendiaten des Else-Heiliger-Fonds zugute, von denen auch die gezeigten Werke stammen. Schon kleben erste rote Punkte. Lithografien von Martin Dammann für 400 Euro, eine Papierarbeit von Christian Hoischen für 1400 Euro, eine Fotografie von Veronika Kellndorfer für 2010 Euro lassen Kenner sich nicht entgehen. Offensichtlich war auch Alice Strövers Favorit unter den frühen Verkäufen.

Der Else-Heiliger-Fonds (EHF) ist eine Erfolgsgeschichte, die einen Vater hat: Hans-Jörg Clement, der als Kurator und Geschäftsführer die Idee der Künstlerhilfe mit Verve vertritt. Als das ursprüngliche Kapital des Fonds – das Vermögen einer wohlhabenden Aachener Apothekerswitwe, das 1993 nach ihrem Tod an die Konrad-Adenauer-Stiftung mit der klaren Auflage zur Künstlerförderung überging – vor zwei Jahren aufgebraucht war, suchte sich Clement Trustees, die mit einer 30 000-Euro-Einlage die Fortsetzung des Programms und dessen solitäre Stellung sicherten.

Unter den 600 Bewerbern für eines der sechs Stipendien wählt der Kunstafficionado mindestens 50 für die Longlist aus, gefolgt von eben so vielen Atelierbesuchen in ganz Deutschland. Hinzu kommen internationale Messen, Biennalen, Galerien. Am Ende der Recherche wird dem Beirat die Shortlist vorgelegt. Die sechs Glücklichen erhalten ein Jahr lang monatlich 1000 Euro für ein halbwegs sorgenfreies Leben. Außerdem eine Gruppenausstellung, ein Workshop am einstigen Adenauer-Feriensitz „Villa la Colina“ in Cadenabbia am Comer See und für einen Auserwählten eine Soloschau. Die Trustees folgen gern den Empfehlungen ihres Kurators, dessen Begeisterung stets überspringt. So blickt die erfolgreiche EHF mittlerweile auf viele Kinder: Albrecht Schäfer, Jorinde Voigt, Rosa Barba, Rupprecht von Kaufmann kamen unter Clements Fittiche, noch bevor sie ihren Durchbruch auf dem Kunstmarkt hatten.

Auch Marcel Bühler gehört dazu. Seine „Cowboys“ schmücken gerade das Büro des Kurators. Bühler liebt das Spiel mit kunsthistorischen Verweisen. Hier kreuzt er Warhol mit Beuys, indem er in Warhol’scher Manier den Kopf des Künstlerübervaters in verschiedenfarbigen Lithos reproduziert. Die Besonderheit: Unter Beuys’ legendärem Hut sitzen Hörner. Ein Verweis auf ihn als Leittier oder als Viehtreiber? Die Serie wurde eigens zur Ausstellungseröffnung in der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgehängt; irgendwann wird ein anderer Stipendiat hier seinen Auftritt haben. „Ich lasse keine Gelegenheit aus, einen Künstler zu platzieren,“ so Clement, von dessen Besuchersofa aus man die beste Sicht auf die Kunst besitzt. Manch Gast dürfte ihr hier erlegen sein.

Für den promovierten Germanisten, der seit seinem achtzehnten Lebensjahr Kunst sammelt, bedeutet dies dann jedes Mal einen persönlichen Triumph. „Ich habe keine merkantilen Interessen“, erklärt der Schöngeist. Ihm geht es um politische Bildungsarbeit, Kultur als Teil der Identitätsstiftung. Wer einmal in den Genuss eines Else-Heiliger-Stipendiums gekommen ist, der bleibt im Clement’schen Verbund, erhält dann und wann auch einen Katalogzuschuss oder Hilfe bei einer Ausstellung. Als Mitglied der Ankaufskommission für die Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland sowie diverser Jurys, etwa der Villa Aurora, ist der Fünfzigjährige nicht nur gut vernetzt und informiert, sondern auch an vielen Stellen Entscheidungsträger. Mit parteilicher Zugehörigkeit hat das für ihn nichts zu tun. CDU-Mitgliedschaft als Bedingung für eine Bewerbung? Clement winkt ärgerlich ab.

Eher würde umgekehrt die Politik von den Künstlern profitieren: „Schließlich sind sie Seismographen der Gesellschaft und nehmen vorweg, was später relevant wird.“ Außerdem reagierten Künstler höchst empfindlich auf politische Vereinnahmung; das ginge gar nicht. Wie gering die Berührungsängste sind, zeigt sich für ihn am Beispiel von Nezaket Ekici. Die einstige Meisterschülerin von Marina Abramovic ist seit ihrem Stipendium vor fünf Jahren immer wieder Gast im Haus, etwa bei politischen Veranstaltungen zu Integration und Islam. Erst kurz vor der Förderung durch den Else-Heiliger-Fonds hatte die türkische Performerin damals ihre deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

Als der Kulturchef der Adenauer-Stiftung vor acht Jahren seinen neuen Job begann, musste er auch umgekehrt innerhalb seines Hauses deutlich machen, dass es sich bei der Kunstförderung um „keine Lorbeerbäumchen-Veranstaltung“ handelt, wie er es scherzhaft nennt. „Mit mir haben sie einen Jüngeren genommen und sind ein Risiko gefahren“, erzählt er von seinen Anfängen. Vorausschauend bestand er damals auf Berlin als Hauptstandort für das Kulturprogramm, nicht länger nur Sankt Augustin am Rhein, wo noch heute die Literaturförderung angesiedelt ist. Auch für Komposition und Tanz vergibt der Fonds Stipendien. Da staunten die Besucher der Konrad-Adenauer-Stiftung nicht schlecht, als sich Tänzer Rai-Hilmer Kirchner bei seiner Präsentation im Konferenzraum über die Gesetze der Schwerkraft hinwegsetzte, Breakdance und Ballett miteinander kombinierte. Für die Politiker, die damals gekommen waren, soll der Auftritt höchst anregend gewesen sein.

Konrad-Adenauer-Stiftung, Tiergartenstr. 35, bis 22. Juli, Mo - Fr 9 - 17 Uhr.

Regentropfen fallen stetig in eine Lache. Bilden konzentrische Wellen, feines Prasseln auf Japanpapier. Der hauchdünne Bogen, auf die Hälfte gefaltet und über einen Draht gehängt, dient als Bildträger für Rolf Julius’ Videoinstallation „Rain“ (6800 €). Eine wehende Projektionsfläche, die dem melancholischen Loop etwas zusätzlich Ephemeres verleiht.

Das Flüchtige und Unspektakuläre hat der 1939 geborene Grenzgänger zwischen bildender Kunst und Musik stets in eindringliche Klangbilder aus der Stille verwandelt. Das Zirpen der Hochtöner, der Brummbass von Pigmenten – am Ende nimmt man sie aus der Galerie Anselm Dreher mit auf die Straße. Kunst, die nachhallt und die Wahrnehmung verändert.

„Zwei Punkte“ reduziert die Klangkunst auf das Wesentliche: ein Tonträger, Kabel und jene zwei Mini-Lautsprecher, die der Wandinstallation (3950 €) den Titel geben. Das Klangmodul mit Zikadengesang wird zum bildhaften Element. Die puren Lautsprecher, die sich seit den 70er Jahren durch Julius’ Werk ziehen, wurden zu einem Markenzeichen des im Januar verstorbenen Künstlers. Die Gedankenwelt und den Humor der von John Cage und von ostasiatischer Philosophie inspirierten small music vermitteln rund zwei Dutzend Zeichnungen (je 860 €). Auch sie hinreißend flüchtig wie ein verklingender Ton. Steine mit Hochtönerköpfchen bilden einen heiter absurden Menschenauflauf, Lautsprecher schwingen als Perpetuum mobile auf Klangwellen. Das feine Kolorit von Klangstäben tönt in „Sehr gelb“ (5400 €) aus Schalen mit gelb und grün wabernder Masse. In einer Glasvase plätschern Kois auf einem Flüssigkristalldisplay. „Ueno“ (6800 €) hat Julius das Video-Objekt von 2010 nach einem Tokioter Stadtteil genannt, das sich mit der Bewegung des Betrachters verändert und schließlich einen roten Fischschwarm erkennen lässt, der einen schwarzen Artgenossen umringt.

Einen Kontrapunkt zum meditativen Kosmos setzt der raue Charme von „Backstage“. Ein raumfüllendes Podest voller Materialskizzen, Klang-Objekte und dem ‚Handwerkszeug' des Künstlers. Das untergründige Grollen eines Basslautsprechers bringt gelbes Pulver zum Vibrieren, aus einer Schale dringen Alltagsgeräusche durch rot leuchtende Pigmente. Dazwischen Tüten, Siebe und allerlei Schalen mit Salzen oder Sand. Der Staub der Wirklichkeit vermischt mit dem Staub der Erinnerung. 2008 hatte Julius die Klanginstallation (60 000 €) als Momentaufnahme seines Ateliers präsentiert. Nun hat Anselm Dreher sie rekonstruiert – als Quintessenz des Klangkunstpioniers und als Vermächtnis.

Michaela Nolte

Galerie Anselm Dreher, Pfalzburger Str. 80, bis 22. Juli; Di - Fr 14 - 18 Uhr.

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