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Kyle (Joe Cole) nimmt am "Hands On"-Wettbewerb des lokalen Autohändlers teil. Wer die Hände am längsten auf dem Truck liegen lässt, gewinnt den Wagen.

© Michael Kotschi/Flare Film

Highlight der Berlinale: "One of these Days" zeigt die Verlierer des amerikanischen Traums

Der Film von Bastian Günther verhandelt die soziale Spaltung Amerikas anhand einer texanischen Provinzshow. Ein Highlight des Panorama-Programms.

Es sind die Leute, die sich kein Auto leisten können, nicht mal per Kredit. Beim jährlichen „Hands On“-Wettbewerb auf dem Parkplatz des lokalen Autohändlers müssen die Kandidaten eine Hand auf das Blech des schmucken Pick-up-Trucks unterm Festzeltdach legen und wer am längsten nicht loslässt, hat den Wagen gewonnen.

Die Sonne brennt, die Nächte sind lang, ab und zu gibt’s Snack- und Pinkelpausen. Drumherum wird Party gefeiert, der Lokalsender berichtet live, es kann dauern, 50 oder 60 Stunden. Eine groteske Szenerie, demütigend, unterhaltsam, beinhart: survival of the fittest. Wer kein Auto hat im Land des amerikanischen Traums, hat eh schon verloren.

Schauplatz von „One of these Days“ - einem der Highlights im diesjährigen Panorama-Programm der Berlinale, ist eine Kleinstadt in Texas. Natürlich sind die um den Truck versammelten Wettbewerber erbitterte Konkurrenten – darunter der Fastfoodverkäufer Kyle (Joe Cole), der Musikfreak mit den Kopfhörern, die zwei Aggro-Kumpels und die fromme Alte, die es mit Bibellektüre versucht.

Aber sie bilden auch eine Schicksalsgemeinschaft, einen im erbitterten Siegeswillen vereinten, gegen das Publikum verschworenen Zirkel. Gegen uns, die wir uns amüsieren, während wir zuschauen, wie der sogenannte White Trash sich abmüht.

Auch Joan (Carrie Preston), die als PR-Managerin für den „Hands on“-Contest wirbt und rund um die Uhr auf dem Parkplatz präsent ist, erweist sich als eine Getriebene. Tapfer um Fröhlichkeit ringend, kämpft sie ebenfalls auf verlorenem Posten. Sie will ihre Einsamkeit besiegen, will ein Date, einen Mann. Oder wenigstens einen Sexpartner. Klappt alles nicht, aber sie lächelt weiter dagegen an.

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Amerika als Provinzshow, als Mikrokosmos. Vielleicht nicht nur Amerika, sondern überhaupt die westliche kapitalistische Welt. Wir amüsieren uns zu Tode, dabei kommen die meisten nur schwer über die Runden.

„Ein Film über uns, darüber, wie wir leben, über Schadenfreude und Voyeurismus, Armut und Träume, Menschlichkeit und Kapital“, sagt der 45-jährige Regisseur Bastian Günther, der zwischen Berlin und Austin in Texas pendelt.

Günther gibt den Gedemütigten und Wohlstandsverlierern ihre Würde zurück, indem er die menschliche Tragödie hinter der anfangs so harmlos und bestenfalls schräg erscheinenden Szenerie zum Vorschein bringt.

Die Tragödie von Kyle, der kaum was verdient und sich manchmal auf einem Autofriedhof hinters Steuer einer Schrottmühle setzt, von seiner jungen Frau Maria (Callie Hernandez) und ihrem Baby, die Sehnsucht nach einem kleinen, bescheidenen Glück.

Deshalb fängt die Geschichte noch einmal an, nachdem der Wettbewerb längst ein schreckliches vorzeitiges Ende genommen hat. Wegen der Hoffnung auf eine Zukunft, die in der Rückblende noch nicht Vergangenheit ist.

PS: Verpassen Sie nicht den sprechenden Truck mit den zwinkernden Scheinwerfern. Und der Stimme von Bill Callahan!
24.2., 13.30 Uhr (International), 25.2., 22 Uhr (Colosseum 1), 28.2. 19 Uhr (Zoo Palast 1)
Mehr zur Berlinale 2020 finden Sie hier in unserem Newsblog.

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