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Renate Holm in dem Film „Das Fräulein vom Amt“, 1954. Foto: Davids/Bildarchiv Hallhuber

© DAVIDS

Kultur: Adele verpflichtet

Zum 80. Geburtstag der Sängerin Renate Holm

Berlin, 1942, ein regnerischer Nachmittag. Mutter und Tochter kommen aus dem Kino, sie haben „Die Premiere der Butterfly“ mit Maria Cebotari gesehen. Während des ganzen Heimwegs laufen der Elfjährigen die Tränen über die Wangen – weil sie das Schicksal von Giacomo Puccinis japanischer Geisha so bewegt hat. Und weil sie jetzt weiß, was sie werden will: Opernsängerin.

15 Jahre wird es noch dauern, bis die Wiener Volksoper Renate Holm engagiert. Da ist sie allerdings bereits ein Kinostar. Nach der Ausbildung zur Zahnarzthelferin, die die strenge Mutter verlangt, finanziert sie sich ihre Gesangsstunden, indem sie mit einem Bauchladen voll Schokolade und Zigaretten die 150 Stufen der Waldbühne auf- und absteigt. Als sie 1953 im Vergnügungslokal „Janecker Dachgarten“ bei einem Talentwettbewerb das „Lied der Nachtigall“ trällert, wird sie vom RIAS entdeckt. Auf Schlager im Radio folgen bald Musikfilme, nach dem 13., „Schön ist die Welt“ mit Rudolf Schock und Willy Millowitsch, wird Renate Holm zum Vorsingen nach Wien eingeladen. Gleichzeitig kommt das Angebot, in Berlin die Eliza Doolittle in der deutschen Erstaufführung von „My Fair Lady“ zu spielen.

Sie entscheidet sich für Österreich, wird engagiert, sieht zum ersten Mal ein Opernhaus von innen. Die „echten“ Sänger rümpfen die Nase, nennen sie „Piefkinesin“ – doch mit ihrem Koloratursopran der bis zum hohen E reicht, erobert sich die Preußin ihren Platz im Wiener Musikleben, lässt sich 1960 von Karajan an die Staatsoper abwerben, wird seine Lieblings-Musetta in der „Bohème“, singt Mozart und Richard Strauss. „Eine Meisterin im gesanglichen Fliegengewicht“ nennt sie der Wiener Kritiker Karl Löbl.

Vor allem aber wird Renate Holm gefeiert, wenn sie in der „Fledermaus“ den Herrn Marquis bloßstellen kann, der sie doch tatsächlich für seine Kammerzofe hält. Noch heute sind drei Gesamteinspielungen der Operetten mit der „Jahrhundert-Adele“ auf dem Markt, die Verfilmung der legendären Otto- Schenk-Inszenierung ist unzählige Male zu Silvester im Fernsehen gezeigt worden. Dass sie dennoch mit 60 Jahren von der Wiener Staatsoper „zwangspensioniert“ wird, hat sie bis heute nicht verwunden: „Für mich war das, als hätte mich jemand aus dem Nest geworfen.“

Seitdem singt sie auf eigene Faust weiter, unermüdlich, unterrichtet, spielt auch mal Theater – und kümmert sich um ihren Hof-Staat, um die Hunde, Katzen, Hasen, Hühner und Esel, mit denen sie in einer alten Mühle im Weinviertel bei Wien lebt. Dort feiert Renate Holm heute ihren 80. Geburtstag. Frederik Hanssen

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