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Das Dyke-Dogs-Podium mit Martina Witte (rechts).

© Nadine Lange

Auf der Spur der Prololesben: „Dyke Dogs“-Salon in der Schaubühne

Ende der Achtziger gründeten sich Lesbengruppen aus der Arbeiter*innenklasse. Ein kurzweiliger Abend an der Berliner Schaubühne erinnerte jetzt an deren Aktivismus.

Ein Planschbecken gefüllt mit Zetteln steht in der Mitte des Schaubühnen-Studios. Es handelt sich um fotokopierte Flugblätter, die Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre von sogenannten Prololesbengruppen produziert wurden. Als Angehörige der Arbeiterklasse bezogen sie sich selbstbewusst auf den „Proleten“-Begriff und thematisierten Klasse, Privilegien und Diskriminierung innerhalb der linken Politszene.

„Die geltende Form der Auseinandersetzung schließt schon etliche Prololesben aus. Du wirst nur ,verstanden’ + ernst genommen, wenn du die richtige Sprache benutzen kannst“, heißt es etwa in einem Positionspapier aus dem Planschbecken, das komplett vorgelesen wird.

Auf dem Podium der Veranstaltungsreihe „Dyke Dogs“, die seit dieser Spielzeit lesbisch-queere Perspektiven an die Schaubühne bringt, sitzt Martina Witte, damals Mitglied einer Berliner Prololesben-Gruppe. Im Austausch mit vier aktuell zu Klassenverhältnissen arbeitenden jüngeren Kulturschaffenden berichtet sie sehr anschaulich von der bewegten Zeit.

„Dass über Unterschiede nie gesprochen wurde, hat uns schockiert“, sagt Witte. Dabei sei klar gewesen, dass einige Lesben mehr Zeit und Geld hatten als andere, was die jeweiligen Chancen, aktivistisch tätig zu sein, beeinflusste. Schmerzhaft seien die ständigen verbalen Abwertungen gewesen. Mit anderen darüber zu reden und sich über das „Habitus-Getue“ der Bessergestellten lustig zu machen, sei befreiend gewesen. Dabei entstanden mitunter hübsche Wortkreationen wie Mi.Schi-Lesbe (von Mittelschicht) oder HöTös (von höhere Töchter).

Es gab auch konkrete Aktionen wie Demonstrationen oder ein anonymes „Umverteilungskonto“ zur Unterstützung von Lesben in existenziellen Krisen. Bis zur Auflösung der Gruppe habe es gut funktioniert, so Witte. Sie selbst hat das Konto auch einmal in Anspruch genommen. Vor allem aber, sagt sie, „hatte der Gedanke etwas Beruhigendes“.

Sich nicht um Geld sorgen zu müssen, ist nicht zuletzt gut für die Gesundheit – und setzt Energien für politische Arbeit frei. Das Umverteilungskonto ist ein tolles Beispiel von Solidarität und Empowerment – wäre vielleicht einen Update-Versuch wert.

Eine kleine Hommage an die Prololesben läuft im Hintergrund des Salons: Lynn Takeo Musiol vom Dyke-Dogs-Kollektiv ist in einer Ecke damit beschäftigt, weiße T-Shirts per Siebdruck mit einem Prololesben-Dialog über die Umverteilung zu bedrucken. Am Ende dieses anregenden Queer-History-Abends können die Besucher*innen die Shirts erwerben – Preis nach Selbsteinschätzung.

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