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Kommissar Niemans, gespielt von Jean Reno, in der Literaturverfilmung "Die purpurnen Flüsse 2", 2004.

© Tobis/dpa

Auf ein Bierchen mit dem Kommissar: Warum Krimis besonders in der Pandemie boomen

Sie dominieren die Bestsellerlisten der Literatur, meist mit Ermittlerduos in Serie. Über die große Beliebtheit von Kriminalromanen in haltlosen Zeiten.

Man müsste einmal auflisten, was Georges Simenons Kommissar Maigret Roman für Roman so alles an Getränken wegschafft. Zu jedem Fall des schwergewichtigen Pariser Kommissars gehört der regelmäßige und häufige Besuch von Cafés und Bars, wo Maigret Bier, Wein oder diverse Schnäpse trinkt. Zu schweigen von den Bieren (und belegten Broten), die bei den Verhören am Quai des Orfèvres aus der Brasserie Dauphine gebracht werden. Man liest die Maigret-Krimis, weil sie gut und psychologisch raffiniert sind, klar, weil am Ende ein Krimimalfall gelöst worden ist – doch noch lieber liest man sie, weil Maigret etwas Vertrautes hat. Ja, weil man gern mit ihm zusammen in eben jenen Bars sitzt und ein Gläschen trinkt.

75 Maigret-Romane hat Georges Simenon geschrieben, und vor der Spannung kommt darin immer die Figur des Kommissars mit seinen Vorlieben und Gewohnheiten. Nach diesem Muster schreiben auch viele zeitgenössische Krimiautor:innen ihre Romane und lassen ihre Ermittler:innen in Serie gehen. Mit Erfolg: Auf den obersten Plätzen der Bestsellerlisten rangieren diese Woche zwei Autor:innen, die auf diese Spitzenränge mit Serienhelden abonniert sind.

Im Fall von Nele Neuhaus ist es mit „In ewiger Freundschaft“ schon der zehnte Band, in dem Neuhaus ihr Duo Pia Sander und Oliver von Bodenstein in die Ermittlungsspur schickt, dieses Mal vom Taunus weg ins großstädtische Frankfurt (und in den Literaturbetrieb). Und der dänische Schriftsteller Jussi Adler-Olson lässt in „Natrium Chlorid“ seinen eigenwilligen, unkonventionellen Polizisten Carl Mørck und dessen Sonderdezernat Q s zum neunten Mal einen längst vergessenen Fall wieder neu aufrollen und lösen. Auch hier gilt: Die sogenannten Fälle sind von sekundärer Bedeutung. Wichtiger ist dass Pia Sander, Oliver von Bodenstein und Carl Mørck wieder zurück sind.

Auf sie ist Verlass, sie strahlen Ruhe und Übersicht aus in einer Welt, in der Unruhe herrscht, in der die Pandemie alles bestimmt, die unübersichtlich geworden, in der auf nichts mehr Verlass ist. Klimawandel, Inflation, drohende Arbeitslosigkeit, you name it. Wozu im übrigen passt, dass auf den folgenden Plätzen auch nur Krimis stehen, der soundsovielte von Sebastian Fitzek, dann Ken Follett, schließlich der zweite vom Drogerieketten-Boss Dirk Rossmann.

Stets wiederkehrende Serienkommissare vermitteln Halt und Geborgenheit. Auch in ihrer fiktiven Welt liegt vieles im Argen, sonst gäbe es sie nicht, aber sie sind ja da, und für ein paar Stunden lässt sich mit ihnen die Finsternis da draußen ausblenden. Und weil diese bekanntlich bis zum Frühjahr dauert: 75 Maigret-Romane sind ein schönes Ruhe- und Ausgleichspolster. Damit kommt man locker durch den Pandemie-Winter.

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