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Innige Gemeinschaft. Alina Ibragimova und Cédric Tiberghien.

© Eva Vermandel

Ausbruch und Verschwiegenheit: Alina Ibragimova und Cédric Tiberghien im Boulez Saal

Die Geigerin und der Pianist beleuchten das kammermusikalische Spätwerk dees Romantikers in seiner ganzen Intensität.

Diese beiden sind wie füreinander gemacht. Eine verblüffende Übereinstimmung liegt über dem Spiel von Alina Ibragimova und Cédric Tiberghien. Über die Einschätzung „lang eingespieltes Duo“ geht sie weit hinaus. Sie lässt im Dialog jeweils neue Schlaglichter auf das gerade Gespielte werfen, Überraschungen, die auch Bekanntes frisch und neu erscheinen lassen.

Im Pierre Boulez Saal unterziehen die beiden zwei späte Schumann-Sonaten einer solchen Frischzellenkur. Gerade dem Spätwerk des Romantikers wird ja gerne Fantasielosigkeit, Behäbigkeit und Biederkeit unterstellt: Seine syphilitisch bedingte Geisteskrankheit kündige sich darin an. Wie ungerecht dies ist, stellen die Geigerin und der Pianist sofort klar. Die Sonate für Violine und Klavier in d-Moll op. 121, drei Jahre vor dem suizidal gemeinten Sprung in den Rhein entstanden, wird zum riesigen Drama auf der Basis absoluter Klarheit und Differenzierung. Mit großer Geste entsteht die langsame Einleitung, der sich blanke Nervosität des in großen Sprüngen und pochender Rhythmik gehaltenen Kopfthemas anschließt.

Dabei spielt vor allem Ibragimova nicht schön, sondern wahr: Nur selten – etwa im lyrischen, aber immer noch leidenschaftlich gefassten Seitenthema – lässt sie ihren Violinton aufblühen, stellt ansonsten die Töne eher herb, und vibratoarm in den Raum. Ihre langgezogenen Pianissimo-Linien brennen sich ein, erzeugen eine bezwingende Konzentration.

Tiberghien antwortet mit weiter dynamischer Palette; trotz größter Zurückhaltung sind seine unruhigen Begleitfiguren deutlich zu hören, aus denen plötzlich thematisch bedeutsamer Oberstimmengesang hervorbricht. „Leise, einfach“ ist der langsame Satz überschrieben, in dem im diskreten Pizzikato gebrochene, erst später klangvoll zu sich selbst findende Innigkeit entsteht.

Nicht weniger brennt die Luft in Robert Schumanns Violinsonate Nr. 3, die erst 100 Jahre nach ihrer Entstehung 1853 herausgegeben wurde. Auch hier wird ein pathetisches Rezitativ zu Beginn und eine zerklüftete Thematik mit unablässiger Spannung erfüllt. Heftige Ausbrüche, verschwiegene Lyrismen und ein triumphales Finale, in dem der Optimismus quasi vor sich selbst davonläuft, machen den hohen Wert auch dieses Werkes aus.

„Vier Stücke“ von Anton Webern aus dem Jahre 1910 zeigen solche romantischen Valeurs eingedampft auf wenige Töne und Klangkontraste. Arvo Pärts „Spiegel im Spiegel“, auch ein beliebter S oundtrack für Film und Ballett, läuft in seiner meditativen Wirkung hier quasi außer Konkurrenz, bevor es wieder mit Schumann zur Sache geht. Jubel eines gebannt lauschenden Publikums auch hier.

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