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Flirrendes Schneegestöber. Szene aus "Pixel" bei Tanz im August.

© Laurent Philippe

Berliner Festival: "Tanz im August" widmet sich Hip-Hop

Traumspiele und Power Moves: "Tanz im August" zeigt urbane Bühnenkunst in beeindruckender Vielfalt.

Von Sandra Luzina

Die Hip-Hop-Kultur hat sich längst ihren festen Platz beim „Tanz im August“ erobert. So vielfältig und grenzüberschreitend wie in diesem Jahr wurden die urbanen Tanzstile aber noch nie präsentiert. Denn bei der Jubiläumsausgabe zeigten B-Boys aus vier Kontinenten, dass sie mehr drauf haben als Spins und Freezes. Der Franzose Mourad Merzouki, der Australier Nick Power und der Brasilianer Bruno Beltrão kamen schon als Jugendliche zum Breakdance, heute gehören sie zu den Choreografen, die den Hip-Hop zur Bühnenkunst weiterentwickelt haben.

Mit „Pixel“ brachte Merzouki eine Erfolgsproduktion seiner Compagnie Käfig nach Berlin. Bei der Vorstellung am Sonntagnachmittag war die Stimmung im Haus der Berliner Festspiele ausgelassen, denn viele Zuschauer hatten Kinder mitgebracht. Die fantastischen Animationen haben die beiden Medienkünstler Adrien Mondot und Claire Bardainne kreiert. Aus weißen Punkten entstehen variierende Raster, fließende Linien, Verwirbelungen, auf die elf Tänzer reagieren. Durch ihre Bewegungen verändern sie die Pixel-Gebilde. In diesem flirrenden Traumspiel sind sie mit immer neuen Erscheinungsformen von Energie konfrontiert.

Plaisir für groß und klein

Die Pixel erinnern schon mal an ein Schneegestöber oder eine aufschäumende Welle. Und wenn die Tänzer in kleinen Grüppchen in die feinen Netzmuster eindringen, tun sich schon mal Löcher im Boden auf. Merzouki verbindet urbane Tanzstile und Zirkus-Elemente. Die Jungs zeigen ihr Können bei den akrobatischen Power Moves. Doch auch der schwarze Tänzer, der auf Rollschuhen über die Bühne gleitet, ist hinreißend. „Pixel“ ist verspielt und poetisch, ein Plaisir für groß und klein. Allerdings wundert man sich, warum die einzige Frau auf der Bühne sich nur verbiegen darf.

In „Between Tiny Cities“ trifft der australische B-Boy Aaron Lim. Auf Erak Mith aus Pnom Penh. Nicks Powers Stück mutet zunächst wie ein Battle an. Die beiden Tänzer belauern sich, pirschen sich ran. Der übermütige Erak Mith tollt schon mal wie ein Äffchen herum und lockt seinen Rivalen aus der Reserve. Nick Powers geht es nicht nur um den Wettstreit. Es macht Spaß, den beiden B-Boys dabei zuzusehen, wie sie ihre Fremdheit überwinden und sich einander annähern.

Richtig eingeschlagen hat die Grupo de Rua aus Brasilien. Bruno Beltrão hat sich mit der tänzerischen Dekonstruktion des Hip-Hop einen Namen gemacht. „Inoah“ ist sein düsterstes Stück. Er fängt darin die politischen Spannungen in seiner Heimat ein. Die Körper wirken merkwürdig gestaucht oder verzogen, können sich nicht entfalten. Wenig ist hier von der Selbstermächtigung der B-Boy-Kultur zu spüren. Kein Auftrumpfen, keine Feier viriler Energie. Die verunsicherten Tänzer suchen Halt, doch die Duette wirken rabiat oder einschnürend. Später zeigen die B-Boys spektakuläre Moves, sausen wie Wurfgeschosse durch die Luft und oder verschrauben sich auf irrwitzige Weise. Wie die Tänzer zwischen Ohnmacht und ruppiger Selbstbehauptung schwanken, ist furios.

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