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Chorleiterin Etta Hilsberg im Jahr 2008.

© Thilo Rückeis

Camerata vocale: Ich stehe hier und singe

Karfreitsagszauber im Kammermusiksaal: Die Camerata vocale mit Bach und dem Deutschen Requiem von Brahms.

Ihre Spezialität ist die Harmonie. Seit 33 Jahren veredelt Etta Hilsberg die Chorklangkultur ihrer Camerata vocale, jenem Fast-Familienbetrieb, bei dem die Töchter Inga (Orgel) und Esther (Solo-Sopran) häufig mit von der Partie sind. Ein stetes Mezzoforte füllt den Kammermusiksaal, wenn die Dirigentin mit feingliedrigen Händen bei Bachs Motette „Jesu meine Freude“ die Schlüsse abfedert und die Tonmalereien von „Trotz dem alten Drachen“ nicht in „Tobe Welt und springe“ kulminieren lässt, sondern den Ruheappell „Ich steh hier und singe“ zu einem der stillen Höhepunkte des Abends macht.

Bloß keine Knalleffekte. Die Camerata vocale, einer der renommiertesten Laien- und Oratorienchöre der Stadt, pflegt einen gut durchhörbaren, lupenreinen Mischklang, saubere Intonation ist den Sängerinnen und Sängern Selbstverständlichkeit. Zwar gerät die Choralmelodie in „Gute Nacht, ihr Wesen“ im Alt etwas dünn, bleibt der Bass mitunter flach, dem Sopran wünschte man mehr Mitglieder. Aber die Zurückhaltung, ja Demut gegenüber dem Werk hat einen schönen Effekt, wenn die Melodie-Girlanden in „Gute Nacht“ sich elegant umeinander winden oder das hingetupfte „nichts“ in „Es ist nun nichts Verdammliches“ leises Erschrecken des gläubig Staunenden versinnbildlicht. Ein Hauch von Karfreitagszauber im Kammermusiksaal.

Jenseits des Lustprinzips

Und Brahms’ „Deutsches Requiem“, geht das auch so leise, leichtfüßig, ohne Orchester, mit Carola Theill und Annika Treutler vierhändig am Klavier? Jein. Man vermisst den Umschlag von geflüsterter Bangigkeit in ohrenbetäubende Todesgewissheit im Trauermarsch „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“, der in der Klavierfassung Skizze bleiben muss, wie auch die Posaunen des jüngsten Gerichts. Jenseits des Lustprinzips: Gegenüber dem Schwerblütigen von Brahms’ Ode an die Sterblichkeit wirkt die verhaltene Diktion aber doch als Antidot. Bariton Sebastian Bluth fügt eine kräftige Prise dramatischer Deklamatorik hinzu, Esther Hilsberg zelebriert mit gezügeltem Vibrato den antizipierten Auferstehungs-Jubel.

Übrigens geht eine Ära zu Ende. Etta Hilsberg, die engagierte Chefin, hört auf, Ende des Jahres. Im Programmheft nennt sie die Camerata ihr Lebenswerk – das sie in gute Hände weitergeben möchte. Sie lädt zum Abschiedskonzert am 18. November mit Mendelssohns „Elias“ in der Philharmonie.

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