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Walter Triers Titelillustration für Erich Kästners Kinderroman „Pünktchen und Anton“ von 1931.

© Favoritenpresse

Späte Auszeichnung für Illustrator und Karikaturisten: Berlin ehrt Walter Trier mit Gedenktafel

Er war in den 1920er Jahren einer der bekanntesten deutschen Zeichner – bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten. Jetzt erinnert der Senat an den Künstler, der zahlreiche Bücher Erich Kästners illustriert hat.

Einige seiner Werke sind Klassiker der modernen Illustrationskunst, darunter das Titelbild für Erich Kästners Berlin-Roman „Emil und die Detektive“ von 1929. Doch der Künstler, der sie geschaffen hat, ist heutzutage kaum noch bekannt. Das dürfte sich am Montag zumindest ein wenig ändern. An diesem Tag ehrt der Senat den Zeichner Walter Trier (1890–1951) mit einer Porzellantafel, die am Ort seines einstigen Wohnhauses in Lichterfelde enthüllt wird.

„Mit dieser Gedenktafel wird Walter Trier dem Vergessen wieder ein Stück mehr entrissen“, sagt die Konstanzer Kunsthistorikerin Antje M. Warthorst, die sich in mehreren Veröffentlichungen und von ihr kuratierten Ausstellungen intensiv mit Triers Werk beschäftigt hat.

Karikaturen, Bühnenbilder, humoristische Alltagsszenen

Das umfasst neben den bekannten Illustrationen zu 20 Kästner-Büchern wie „Pünktchen und Anton“ und „Das doppelte Lottchen“ auch zahlreiche Karikaturen, kommerzielle Illustrationen, Bühnenbilder und humoristische Alltagsszenen, die in Veröffentlichungen wie der Satirezeitschrift „Lustige Blätter“, dem illustrierten Modemagazin „Die Dame“ oder dem Wochenblatt „Berliner Illustrirte Zeitung“ veröffentlicht wurden.

Das Titelbild zu „Emil und die Detektive“ ist wahrscheinlich das heute bekannteste Werk von Walter Trier.

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Der 1890 in Prag geborene Trier stammte aus einer deutschsprachigen, jüdischen und sehr liberal und künstlerisch orientierten Mittelschichtsfamilie. Zum Studium zog er nach München, wo er sein schon früh erkennbares zeichnerisches und humoristisches Talent in Arbeiten für den „Simplicissimus“ bewies. 1909 lockten ihn lukrative Angebote des Ullstein-Verlags und Otto Eyslers, des Herausgebers der „Lustigen Blätter“, nach Berlin.

Walter Trier bei der Arbeit in seinem Atelier.

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Hier lernten sich Kästner und Trier 1929 auf Vermittlung von Kinderbuchverlegerin Edith Jacobsohn kennen. Der Schriftsteller stand damals am Anfang seiner Laufbahn. Zu jener Zeit war Trier der Berühmtere von beiden, sein charakteristischer Strich in der Stadt vor allem dank seiner gezeichneten Zeitschriftentitelbilder omnipräsent.

Walter Trier hat sein Leben lang das Lächeln unter die Menschen gestreut.

Erich Kästner

„Wer im damaligen Berlin, mit Ziffern im Kopf, stupide vom Lärm der Stadt, durch die Straßen hetzte und am ersten besten Kiosk einen solchen ‚Trier‘ sah, blieb stehen, holte Luft und – lächelte“, wie sich Kästner später in seinem Nachruf erinnern sollte. „So hat Walter Trier sein Leben lang das Lächeln unter die Menschen gestreut.“

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 änderte sich Triers Leben grundlegend. Wegen seiner jüdischen Abstammung und auch wegen seiner linksliberalen politischen Einstellungen konnte er in Deutschland nur noch sehr eingeschränkt arbeiten, auch die Kooperation mit Erich Kästner endete vorerst. 1936 gelang es ihm und seiner Familie, nach England zu fliehen. Von 1947 bis zu seinem Tod 1951 lebte er dann mit seiner Frau in Kanada. Berlin ließ er für immer hinter sich.

In ihrem Buch „Die Bilderwelt des Walter Trier“ gibt Antje M. Warthorst einen Überblick über das Schaffen des Zeichners jenseits der Titelillustrationen für Kästners Bücher.

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„Mich freut, dass jetzt ein Mensch und Künstler mit einer Gedenktafel geehrt wird, der sich sein Leben lang gegen das Schlechte gewehrt und die lustigen Momente festgehalten hat“, sagt Trier-Expertin Warthorst. „Mit ihm wird der Hoffnung Platz eingeräumt.“ Sie ist an diesem Montag (1.7.) neben Kultursenator Joe Chialo und Siegfried Eckert von der Erich-Kästner-Gesellschaft eine der Rednerinnen bei der feierlichen Enthüllung der von der Gasag gesponserten Gedenktafel an Triers einstigem Wohnhaus in der Herwarthstraße 10. Die Veranstaltung beginnt um 16 Uhr.

Er liebte die Welt, so arg sie sein mochte.

Erich Kästner

Sein von einem idyllischen Garten umgebenes Einfamilienhaus in Berlin, das Trier 1926 für ein Titelbild der Zeitschrift „Die Dame“ auch zeichnerisch verewigte, war für den Künstler Arbeitsplatz und Rückzugsort zugleich. Denn auch wenn Trier in den 1920er und 30er Jahren eines der prominenteren Mitglieder der Berliner Gesellschaft war, mit seinen Arbeiten regelmäßig an der jährlichen Großen Berliner Kunstausstellung sowie an den Ausstellungen der Berliner Secession teilnahm und 1930 auch mal in der Jury zur Wahl der Miss Germany saß, beschreiben ihn Zeitgenossen doch vor allem als introvertierten Menschen, der wenig auf öffentliche Auftritte gab.

Kürzlich sind im Verlag Favoritenpresse auch Triers satirische Illustrationen gegen die Nationalsozialisten neu veröffentlicht worden, hier das Titelbild des Sammelbandes „V für Victory“, zu dem auch ein Leporello des Zeichners gehört.

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Seine Zeit verbrachte Trier in Berlin am liebsten mit der Familie – seine geliebte Tochter Margarete kam 1914 zur Welt – und seinen drei Hobbys: Zeichnen, Sport und Spielzeug. Letzteres sammelte er mit großer Leidenschaft, Zeitzeugen verglichen sein Arbeitszimmer in Lichterfelde mit einem Kinderzimmer, der große Glasschrank mit seinem Spielzeug nahm einen zentralen Platz ein. „Er liebte die Welt, so arg sie sein mochte, und machte sie zu seiner Spielzeugschachtel“, schrieb Erich Kästner 1951 über Trier. „Und er liebte das Spielzeug und machte es zu einem Teil seiner Welt.“

Zahlreiche Werke Triers jenseits der bekannten Kästner-Illustrationen, darunter auch seine politischen Karikaturen aus dem Exil, sind in den vergangenen Jahren durch Veröffentlichungen des 2020 in Berlin gegründeten Verlages Favoritenpresse wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.

„Schon bevor ich den Verlag gründete, war ich ziemlich fassungslos darüber, wie wenig Walter Trier in Deutschland vorkam – obwohl seine Zeichnungen überall präsent waren“, sagt Verleger Bodo von Hodenberg. Daher freue er sich sehr über die späte Ehrung des Zeichners durch die Landesregierung. Zudem hoffe er, dass „durch einen symbolischen Akt wie eine Gedenktafel das Werk jenseits der Kinderbuch-Illustrationen Sichtbarkeit erlangt und Trier in seiner Vielfältigkeit unabhängig von Kästner wahrgenommen wird.“ 

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