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Der argentinische Schriftsteller Félix Buzzamante (l.) joggt jeden Morgen um die Militärbasis "Campo de Mayo" und lässt sich die Geschichten der Anwohner erzählen.

© Alina Films and Off the Grid

Dokumentarfilm aus Argentinien auf der 72. Berlinale: Das Trauma der Militärdiktatur

Joggingrunden um das Todeslager: Im seinem Forums-Beitrag "Camuflaje" nähert sich Jonathan Perel dem "Campo de Mayo" auf ungewöhnliche Weise.

Auf sonderbare Weise dreht sich Jonathan Perels Film um das Folterlager Campo de Mayo, immer noch der größte Militärstützpunkt in Argentinien. Sonderbar, weil man in „Camuflaje“ auf den ersten Blick wenig über dessen Geschichte erfährt.

Die Kamera folgt dem argentinischen Schriftsteller Félix Bruzzone, wie er seine morgendlichen Joggingrunden um den eingezäunten Lagerkomplex dreht. Bruzzones Mutter gehört zu den Verschollenen – denen, die während der Militärdiktatur in den 70er und 80er Jahren verschwanden, die auf dem Campo de Mayo gefoltert und ermordet wurden.

Bruzzone trägt T-Shirt und kurze Adidas-Hosen, in diesem Outfit spricht er mit Menschen, in deren Leben das Lager eine Rolle spielte. Mit dem Sohn eines Soldaten, dem Bewohner eines angrenzenden Wohnviertels, einem Sportler, der heimlich auf dem Areal trainiert, einem Archäologen, der es für Ausgrabungen nutzen möchte.

Schon zu seinem letzten Film, „Corporate Accountability“, hatte der argentinische Regisseur angemerkt, er wolle dem Publikum die Arbeit nicht abnehmen. Deshalb gebe er bewusst so wenige Informationen wie möglich, versuche aber gleichzeitig sicherzugehen, dass die Zuschauer trotzdem verstehen.

Auf diese indirekte Weise gelingt es seinem Dokumentarfilm "Camuflaje", der im Forum der Berlinale gezeigt wird, das Foltercamp über die Joggingrunden seines Protagonisten in Umrissen zu zeichnen. Mit der Topographie des Orts, der Flora, der Fauna, den zerfallenen Gebäuden und den Erzählungen derer, denen Bruzzone begegnet, nehmen die Schrecken der Diktatur Konturen an.  Betonfundamente, überwucherte Bahnschienen, Tümpel, in denen Schildkröten hausen, eine Schanze für Skater – noch in der vermeintlichen Harmlosigkeit und in der Stille des Areals schwingt die Gewalt mit, die es ein für allemal geprägt hat.
Berlinale-Forum: 17.2., 20 Uhr (Arsenal1), 18.2., 15.30 Uhr (Cubix 7), 20.2., 15 Uhr (Delphi)

Hanno Rehlinger

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