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Kultur: Einfach wie Songs

Neue Gedichte von Ludwig Fels

Die Rolle des deutschen Charles Bukowski, der „aus der Schreibmaschine eine Axt bauen“ will, mag Ludwig Fels nicht mehr spielen. Die kraftvollen, vitalistischen Gebärden seiner frühen Gedichte und Romane, in der er von den Verhängnissen einer subproletarischen Lebenswelt erzählte, sind nach vierzig Jahren Schreibarbeit nicht mehr wiederholbar. Die Protagonisten seines Frühwerks bewegten sich meist in einem Milieu der Marginalisierten, gefangen in einem hoffnungslosen Alltag aus Wut, Gewalt, Alkohol und roher Sexualität. Dort dominierte nicht der kultivierte Diskurs, sondern das Faustrecht.

Noch sein Gedichtband „Blaue Allee, versprengte Tataren“ von 1988 formulierte in hochtönendem Pathos eine trotzige Kampfansage an „die Herren der Finsternis“, denen das lyrische Subjekt den Tod wünschte. Jetzt, über zwanzig Jahre später, in denen er keine Lyrik mehr veröffentlichte, haben sich Fels’ Gedichte von dieser anklägerischen Haltung und dem Habitus verzweifelter Auflehnung ziemlich weit entfernt. Der zornige Rebell ist zum Melancholiker geworden.

Bereits der Titel des neuen Bandes verrät den Perspektivenwechsel, den Fels vollzogen hat. „Egal wo das Ende der Welt liegt“: Hier wird zwar nicht ein geografischer, aber ein biografischer Horizont sichtbar, es konturiert sich der Blick auf die eigene Lebensbegrenzung. Ein Autor blickt noch einmal zurück auf die Zeit, in der er „fühlte, am Leben zu sein“. Zwar erzählen auch diese neuen Gedichte noch vom „steinernen Himmel der Armut“, unter dem der frühere Hilfsarbeiter Fels aufwuchs. Aber der Ton ist nun nicht mehr aggressiv und trotzig, sondern elegisch. Seiner fränkischen Heimat, in der er eine höllische Kindheit durchlitt – er kam 1946 in Treuchtlingen zur Welt –, schreibt er nun melancholische Liebeserklärungen. Und an die Stelle des anarchischen Aufschreis tritt eine sanfte Daseinszugewandtheit, die aus der Frömmigkeit schöpft, zu der sich der passionierte Bibelleser Fels mittlerweile bekehrt hat.

Was einige dieser Gedichte so anrührend macht, ist ihre starke Affinität zu den Sehnsuchtsgesten schwermütiger Blues- und Country-Songs. Ludwig Fels hat in den stärksten Texten seines neuen Bandes die Utopie seines früh verstorbenen Dichterkollegen Rolf Dieter Brinkmann realisiert, nämlich Gedichte zu schreiben, so „einfach wie Songs“. Wenn „das Schöne vergeht“, ist immer noch die Musik da: „Nachts wird man manchmal jung, trinkt / Milch aus der Nabelschnur, trauriges Bild. // Ich möchte nichts beschwören, nur noch ein bisschen / in den Scherben klirren, wilde Musik hören.“

Ludwig Fels: Egal wo das Ende der Welt liegt. Gedichte. Jung und Jung, Salzburg 2010. 152 Seiten, 20 €.

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