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Adina Pintilie, die Gewinnern des Goldenen Bären für den Besten Film "Touch me not" nach der Preisverleihung auf dem roten Teppich.

© imago/STPP

Februar ohne Berlinale (10): Mensch ärgere dich nicht

Eigentlich sollte jetzt die Berlinale stattfinden. Wir verkürzen das Warten aufs Publikumsfest im Juni, erinnern uns - und empfehlen Berlinale-Filme.

Von Andreas Busche

Es geht nicht anders, die Berlinale fällt aus in diesem Februar. Keine tollen Tage vom 11. bis 21., kein Kino satt, keine Stars, wir warten auf das Publikumsfest im Juni. Und verkürzen die Zeit, rollen den roten Teppich aus, für die schönsten, verrücktesten Festivalerinnerungen – und empfehlen täglich einen Berlinale-Film für zu Hause. Heute: das Rätseln um die Bären-Gewinner.

Wir kennen das Phänomen vom Fußball: Wenn wieder Weltmeisterschaft ist, hat Deutschland 80 Millionen Bundestrainer. Und alle wissen es besser. Geht die Berlinale nach zehn Tagen auf die Zielgrade zu, sieht sich gefühlt jede*r zweite Deutsche plötzlich zum Filmexperten berufen. Denn natürlich ist Besserwisserei kein Privileg von Kritiker*innen, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen.

War es ein guter Jahrgang? Wer verdient den Goldenen Bären?

Schließlich ist es aber auch keine ganz unwichtige Frage, die man sich am Ende jeder Berlinale stellt: War es ein guter Jahrgang? Und welcher Film wird des Goldenen Bären für würdig befunden?

Jurys sind um ihren Job nicht zu beneiden, Recht machen können sie es sowieso niemandem. Für Außenstehende erweisen sie sich zudem verlässlich als schwer kalkulierbare Größe, auch wenn eine Jury-Besetzung stets nach einer ähnlichen Formel erfolgt: der richtigen Mischung aus Branchenkennern, Filmverrückten und einem Hauch von Glamour. Und am Ende gewinnt bei so einer geballten Ansammlung von Filmexpertise garantiert doch wieder der falsche.

Am Ende gewinnt doch immer wieder der falsche

So wie 2014, als mit Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“ und Richard Linklaters „Boyhood“ zwei – heute ist man da schlauer – moderne Hollywood-Klassiker in Berlin spielten, und am Ende der Außenseiter „Feuerwerk am helllichten Tage“ den Goldenen Bären nach China entführte. Dasselbe passierte 2018 Christian Petzold (nach „Barbara“ zum zweiten Mal) mit „Transit“, der in allen Prognosen vorne lag und dann gegen die experimentelle Dokufiction „Touch Me Not“ den Kürzeren zog.

Das Bären-Raten ist ein Berlinale-Gesellschaftsspiel

Andererseits: Ist es nicht irgendwie der halbe Festivalspaß, wenn man sich am Ende insgeheim einer größeren Filmkompetenz vergewissern darf als eine Jury ausgewiesener Expert*innen? Bären-Raten ist das Berlinale-Gesellschaftsspiel – Mensch ärgere dich nicht! Trotzdem wäre man in manchen Jahren zu gerne Mäuschen in den Jury-Sitzungen gewesen, um zu erfahren, was zum Teufel sie da nun wieder geritten hat.

Nur selten dringen die Kämpfe innerhalb der Jury nach draußen

Doch die internen Auseinandersetzungen dringen allenfalls an die Öffentlichkeit, wenn die Berlinale über einen Zwist zwischen den Juroren abgebrochen wird (wie 1970) oder sich die Vorsitzende Gina Lollobrigida öffentlich vom Siegerfilm distanziert („Stammheim“, 1986).

Dabei hat es eine Jury durchaus in der Hand, einem schwachen Jahrgang mit einem Happy-end zu küren. Im letzten Kosslick-Jahr 2019 verteilte sie mit salomonischer Weisheit die Bären an Nadav Lapid, Nora Fingscheidt, Angela Schanelec und François Ozon. Voilà! Umso schmerzlicher, dass in diesem Jahr die Bären ohne Publikum vergeben werden. Unter normalen Umständen könnte man an diesem Samstagabend vermutlich wieder herrlich streiten.
Berlinale-Filmtipp:
„Transit” (2018)
Christian Petzolds meisterliche Adaption von Anna Seghers Exil-Klassiker zwischen allen Zeitläuften gebührt die Auszeichnung „Bester Berlinale-Film, der keinen Bären gewonnen hat”. Verfügbar auf allen VoD-Plattformen.

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