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Italienische Weise. Lady Hamilton (1761 - 1815), schön und locker. Foto: picture-alliance

© picture-alliance / Mary Evans Pi

Kultur: Hier traf der Dichter Lady Hamilton

Das Goethe-Institut Neapel an neuem Ort.

Kein anderes der rund 150 weltweit angesiedelten Goethe-Institute hat eine solche Aura. Wer hier im Treppenhaus des neapolitanischen Palazzo Sessa die vom Abdruck der Jahrhunderte geprägten Basaltstufen hoch in die zweite Etage zum neuen Sitz des Goethe-Instituts gelangt, tritt tatsächlich auf die Steine, über die schon Johann Wolfgang Goethe, aber auch Mozart, der britische Kriegsheld Admiral Nelson oder Maler/innen wie Angelika Kauffmann und Johann Heinrich Wilhelm Tischbein geschritten sind.

Heute wird die neue Stätte von Goethe-Institutspräsident Klaus-Dieter Lehmann und dem deutschen Botschafter in Italien, Reinhard Schäfer, sowie den kulturpolitisch Verantwortlichen Neapels und der Region Kampanien eröffnet. Und damit nimmt auch eine Farce der deutschen Kulturpolitik ihr glückliches Ende.

Die Stadt am Vesuv war für den Namenspatron der heutigen Institute nicht nur die größte Metropole, die er in seinem Leben erblickt hat (Goethe war nie in Paris, London oder Wien). Ende des 18. Jahrhunderts war die Kapitale des Königreichs Neapel mit 450 000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Europas, sie erschien dem Dichter aus Weimar (6000 Einwohner) als vitales „Paradies“. In ihm lebe jeder „in einer Art von trunkener Selbstvergessenheit“. Auch er selber sei dort „ein ganz anderer Mensch“, notiert JWG am 16. März 1787 in der „Italienischen Reise“.

Das Paradies mag verloren sein, aber die Millionenstadt ist trotz Mafia, Müll und Misswirtschaft noch immer das Herz des Italienischen Südens und das Tor zum südlichen Mittelmeer samt den nordafrikanischen Anrainerstaaten. Ausgerechnet hier drohte das Institut im Zuge der oft kopflosen Sparmaßnahmen bis vor fünf Jahren zu einer Art Außenbüro der Niederlassung in Rom degradiert zu werden. Im Italien des Regionalstolzes wäre das örtliche Institut als kulturelle Adresse dann fast wertlos gewesen. Zudem musste das GI Neapel – noch ein banausischer Akt – auf Geheiß der Münchner Zentrale seine Bibliothek mit 6000 teils historisch wertvollen Bänden aufgeben: Goethe ohne Bücher. Sie wurden, immerhin, Neapels Universität gestiftet.

Auch ohne Bibliothek, mit einem winzigen Etat und wenigen Mitarbeitern hat Maria Carmen Morese jedoch weit über Neapel hinaus ausstrahlende Arbeit geleistet. Die 44-jährige gebürtige Pompejanerin, früher auch am Italienischen Kulturinstitut in Berlin tätig und erfolgreiche Buchautorin, leitet das Institut seit 2005, als erste nichtdeutsche Direktorin einer Goethe-Filiale überhaupt. Bisher residierte das GI dabei im Palazzo Ruffo nahe dem Meer, mit 700 Quadratmetern, die im für eine halbe Million Euro vom Auswärtigen Amt teilrenovierten Palazzo Sessa jetzt auf 250 qm geschrumpft sind.

Dort gibt es in dem Barockbau (ohne Originalmöbel) drei Klassenräume für Sprachschüler und einen Salon für Veranstaltungen mit maximal 100 Besuchern. Größere Ausstellungen, Konferenzen, Konzerte müssen künftig extern bei lokalen Partnern stattfinden. Dafür ist die Miete nun billiger – und die Adresse doch spektakulär. Man erreicht das Haus unweit der eleganten Piazza dei Martiri durch eine ansteigende Gasse. Zu Goethes Zeit, als das felsige Meerufer noch zu Füßen lag, residierte in den hohen Räumen der englische Gesandte und Kunstsammler Sir William Hamilton mit seiner 35 Jahre jüngeren Geliebten Emma Hart, einer Extänzerin und in ganz Europa berühmten Schönheit, die später als Lady Hamilton in Admiral Nelson einen weiteren, hier verkehrenden illustren Lover fand.

Im ersten Stock befindet sich heute die Jüdische Gemeinde Neapels. Maria Carmen Morese sagt dazu: „Nun wird direkt über der Synagoge die deutsche Sprache gelehrt. Von solcher Nachbarschaft hätte man vor einiger Zeit doch nicht einmal träumen können!“ Peter von Becker

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