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Mona (Gro Swantje Kohlhof) geht der Krankheit ihrer Mutter (Sandra Hüller) auf den Grund.

© Salzgeber

Horrorfilm „Schlaf“: Träum weiter

In Michael Venus' Horrorfilm „Schlaf“ gerät eine Frau in einem mysteriösen Provinz-Hotel in einen katatonischen Zustand. Ihre Tochter will die Sache ergründen.

Von Andreas Busche

Im Wald ruht die deutsche Geschichte, das wusste schon Adalbert Stifter. In der raunenden Natur bricht sich die Vergangenheit Bahn – ob als Mahnmal oder Fanal, das liegt in den Händen der jeweiligen Zeitgenossen. Aus dem Nichts manifestiert sich die unterdrückte Geschichte, so wie die Ruine des alten Hotels in den Wäldern um das Provinznest Stainbach.

Eine Vision? Eine Botschaft aus der Vergangenheit? Oder doch nur Überbleibsel eines ambitionierten unternehmerischen Projekts des Dorfpatriarchen? In Michael Venus’ Horrorfilm „Schlaf“ ist nichts, wie es scheint. Nicht mal die Träume.

Der Regisseur spielt mit den Realitätsebenen

Das verschlafene Dorf am Waldrand macht sich bereit für die Zukunft. „Stainbach 2025 – Fruchtbarer Boden für Wohlstand und Fortschritt“ steht auf einem Plakat, an dem Mona (Gro Swantje Kohlhof) bei ihrer Ankunft vorbeiläuft. Eigentlich sollte ihre Mutter Marlene (Sandra Hüller), von Beruf Flugbegleiterin, gerade in Istanbul sein, aber dann wird sie in einem katatonischen Zustand im Hotel Sonnenhügel gefunden.

Marlene hat im Bordmagazin eine Anzeige des Hotels entdeckt, das sie bereits aus ihren Träumen kennt. Jetzt liegt sie im Krankenhaus. Die Ärzte erklären Mona, dass sich ihre Mutter in einem Stupor befindet, die Gründe vermutet die junge Frau in jenem mysteriösen Hotelzimmer, in das sie kurz darauf selbst eincheckt. Das Zimmer ist jedoch nicht die einzige Merkwürdigkeit in dem nahezu leeren Haus.

Regisseur Michael Venus hat seinen Spaß mit den Versatzstücken des Horror-Genres. Auf Plausibilität ist „Schlaf“, der im Februar auf der Berlinale lief, nicht unbedingt angelegt; ihm geht es um Stimmungen im Spiel mit den Realitätsebenen, die sich unmerklich verschieben.

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Er kann sich auf seine Darstellerinnen verlassen. Sandra Hüller hat nicht viel zu tun, aber allein ihr Auftritt zum fantastischen Showdown ist sehenswert. Ein Besetzungscoup sind auch Marion Kracht und August Schmölzer als Hotelier-Ehepaar Lore und Otto. Als Mona das erste Mal Lore trifft, zerlegt die gerade ein Stück Wild. Otto wiederum muss nachts von seiner Frau ans Bett gebunden werden. Als er Lore einmal resolut umarmt, hält er in der anderen Hand eine Axt.

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Hotels sind wie der Wald vertraute Horror-Topoi. Der Wahnsinn, der in den Bildern von Kameramann Marius von Felbert lauert, ist eine offensichtliche „Shining“-Referenz, im Rauschen des Waldes weht die deutsche Romantik in den Film herüber. Weil sich Venus – so souverän er die Mechanismen des Horrorkinos (Point-of-View-Kamerafahrten, Jump Scares, Einstellungen im Halbdunkel) auch beherrscht – aber eine ironische Distanz zu den Genre-Vorläufern bewahrt hat, wirkt „Schlaf“ nicht wie reines Zitatwerk.

Mona etwa freundet sich mit dem Sohn (Max Hubacher) der Hoteliers an, und weil es in dem Kaff nichts besseres zu tun gibt, gehen sie einmal in eine Art Schwarzlicht-Karaoke-Performance. Auch die Mumblecore-Queen Martina Schöne-Radunski (zuletzt in "Kim hat einen Penis") trägt als Hotelangestellte Franzi zu den eher verstrahlten Momenten dieses Horrorfilms bei. Franzi kifft nicht nur heimlich in der Großküche und steht immer etwas neben sich, als gehöre sie gar nicht in die Szene. Sie kann auch noch vortrefflich eine Wildsau nachahmen.

[In den Berliner Kinos b-ware! (OmenglU), Moviemento, Passage, Zukunft]

Die Dönekes haben natürlich einen ernsten Hintergrund: Die Familiengeschichte der Hoteldynastie reicht zurück bis in die NS-Zeit. Die hochgewachsene Trude (Agata Buzek), die die Träume von Mutter und Tochter heimsucht, sinnt auf Rache. Dass der deutsche Horror in den dreißiger Jahren seinen Ursprung hat, ist solch ein Allgemeinplatz, dass man ihm schon noch einen Dreh ins Absurde geben muss.

Otto also träumt von einem tausendjährigen Reich auf dem fruchtbaren Boden seines Hotels. (Die Anspielung von Sonnen- und Venushügel kann sich der Regisseur selbigen Namens nicht verkneifen) Franzi aber tröpfelt den versammelten Altnazis LSD-Tropfen ins Bier und bespielt den zugedröhnten Festsaal mit Stroboskoplicht und Deathmetal. Auf diesen „Schlaf“ folgt ein böses Erwachen.

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