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Schlossherr. Hartmut Dorgerloh (55) hat Kunstgeschichte und klassische Archäologie in Berlin studiert. 2002 wurde er Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Im Juni übernimmt er die Generalintendanz des Humboldt-Forums.

© imago/Jens Jeske

Humboldt-Forum im Schloss: Generalintendant Dorgerloh: „Das Programm bestimmen wir“

Aus Potsdam nach Berlin: Hartmut Dorgerloh spricht im Tagesspiegel-Interview über Pläne, Perspektiven und Preußens Kolonialismus.

Herr Dorgerloh, wenn Sie zum 1. Juni antreten, ist das zwar schnell, so kurz nach Berufung, zugleich spät, kaum anderthalb Jahre vor Eröffnung des Humboldt-Forums Ende 2019. Können Sie da noch gestalten?

Das Haus ist fertig konzipiert. Es gibt eine Eröffnung in Abschnitten, weil der U-Bahn-Bau nicht abgeschlossen sein wird. Die Baustelle ist bis 2020/21 noch da. Auch für die Ausstellungen gibt es feste Planungen. Die Staatlichen Museen, die Humboldt-Universität und die Stiftung Stadtmuseum richten ihre Flächen ein. Wobei das nicht ohne denjenigen geht, der die Verantwortung für das Haus hat. Aber es gibt Spielraum beim Programm für die Wechselausstellungen. Die Gründungsintendanz hat große Flächen auf allen Ebenen freigeräumt. Im Untergeschoss wird die Geschichte des Ortes erzählt. Dabei habe ich in den vergangenen Jahren beratend mitgewirkt. Bei den Einführungsräumen als Entrée in die Ausstellungen besteht noch Diskussionsbedarf. Es ist meine Aufgabe, aus den Überlegungen Wirklichkeit werden zu lassen.

Wo ist Ihre Handschrift dann zu lesen?

Beim Veranstaltungsprogramm, das im Erdgeschoss stattfindet, der Akademie. Bei der Vermittlung, der Gastronomie, den Shops. Auch hier ist es höchste Eisenbahn, in die Realisierung überzugehen.

Schon 2008 äußerten Sie den Wunsch, sich von Potsdam aus beim Humboldt-Forum einzumischen. Wann hatten Sie die Idee, gleich im Schloss Herr zu sein?

Ich habe das Humboldt-Forum aus verschiedenen Perspektiven begleitet. Für die Gründungsintendanten war ich Gesprächspartner und habe zur Mitbeteiligung der Stiftung Stadtmuseum geraten. Konkret wurde es im vergangenen Sommer, als die Gründungsintendanten erkannten, dass man bis zur Eröffnung nicht mit einer Zwischenlösung operieren kann. Als ich dann auf die Vorschlagsliste kam, habe ich nicht widersprochen.

Die Gründungsintendanz mit Neil MacGregor, Hermann Parzinger und Horst Bredekamp wurde eingesetzt, um ein Haus aus einem Guss zu entwickeln. Wie wollen Sie eine Corporate Identity schaffen?

Man muss von den Kunden her denken: Das sind die Besucher, ebenso die Partner in der ganzen Welt. Das Humboldt- Forum ist nicht nur für das unmittelbare Publikum da. Wir wollen Menschen teilhaben lassen, die aus ökonomischen Gründen vermutlich nie nach Berlin kommen können. Für sie planen wir digitale Präsentationen. In Potsdam haben wir eine klare Strategie: Wir werben immer mit Sanssouci, auch wenn es sich um das Neue Palais oder Chinesische Haus handelt. Der komplizierte Name Stiftung Preußische Schlösser und Gärten spielt keine große Rolle. Hauptsache die Besucher sagen, sie haben einen schönen Tag in Sanssouci verlebt.

Wollen Sie das übertragen?

Es wäre gut, wenn das Humboldt-Forum mit einer Adresse auftaucht und nicht mit den verschiedenen Bereichen. Man kann die Marketingstrategien von Sanssouci nicht 1:1 übertragen, aber auch hier erwartet der Besucher ein Angebot und ein Serviceniveau.

Werden Sie der Einrichtung auch mehr Populismus verschreiben, ähnlich den Ausstellungen „Friederisiko“ und „Frauensache“ in Potsdam und Berlin, um mehr Publikum zu erreichen?

Das ist der Reiz für mich. Ich habe ein großes Vorbild: Humboldts „Kosmos“-Vorlesungen. Da strömte ganz Berlin hin, trotz komplexer Themen. Diesen Geist brauchen wir. Wir wollen Geschichten aus vielen Perspektiven erzählen. Es geht nicht, dass einer sagt: „Das ist meine Ausstellung in meinem Haus, so wie ich sie will.“ Ein solches Museumskonzept wird es in Zukunft nicht nur am Humboldt-Forum schwer haben. Im 21. Jahrhundert gibt es ein anderes Museumsverständnis in der Vermittlungsarbeit.

Sind da nicht Konflikte mit den Staatlichen Museen, der Stiftung Stadtmuseum, der Humboldt-Universität programmiert? Paul Spies vom Stadtmuseum hat schon erklärt, sich nicht reinreden lassen zu wollen.

Auch in der Schlösserstiftung bringen nicht alle die gleiche Zielvorstellung mit. „Im Garten brauchen die Besucher mehr Orientierung“, sagen etwa die Marketing-Leute. „Wir sind nicht auf der Autobahn, die Parks vertragen keinen Schilderwald,“ erklären dagegen die Gärtner. Wir haben gute Erfahrung mit einem gemeinsam entwickelten Zielesystem gemacht: Was wollen wir erreichen, wirtschaftlich, für die Besucher, wissenschaftlich? Auch das Humboldt-Forum braucht eine gemeinsame Strategie, der sich die Formate unterordnen. Wie bei den großen Theatern in Berlin werden nicht alle mit allem auf dem Spielplan einverstanden sein. Die Komische Oper ist ein gutes Beispiel. Sie hat ein klares Image, ein klares Profil und ein trotzdem weit gefächertes Programm.

Bleiben die drei Gründungsintendanten als Berater?

Die Phase der Gründungsintendanz ist jetzt vorbei, die Verantwortung liegt nun bei mir. Natürlich bleibt Hermann Parzinger als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein zentraler Partner. Horst Bredekamp von der Humboldt-Universität wird als Impulsgeber für das Haus da sein. Neil MacGregor könnte international Werbung machen. Aber zunächst wird das Haus eröffnet. Dann sehen wir weiter.

„Das Humboldt-Forum muss das Thema Kolonialismus offensiv ansprechen“

Schlossherr. Hartmut Dorgerloh (55) hat Kunstgeschichte und klassische Archäologie in Berlin studiert. 2002 wurde er Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Im Juni übernimmt er die Generalintendanz des Humboldt-Forums.

© imago/Jens Jeske

Bei Ihnen mischen der Berliner Kultursenator und die Kulturstaatsministerin mit. Wie gehen Sie damit um?

Mir war wichtig, dass in der Stiftungsratssitzung, in der ich gewählt wurde, von Bund und Land noch einmal die Freiheit der Kunst und Wissenschaft im Humboldt-Forum betont wurde. Das ist ein hohes Gut. Trotzdem hat der Stiftungsrat eine Aufsichtspflicht, denn wir setzen öffentliche Gelder ein. Aber das Programm bestimmen wir.

In Potsdam haben Sie hunderte Millionen Euro zur Sanierung der Schlösser akquiriert. Werden Sie dieses Talent zur Geldbeschaffung auch beim Humboldt-Forum einsetzen müssen?

Wir werden erst in den nächsten Jahren feststellen, was das Haus tatsächlich kostet, wie viel Personal es braucht. Das hängt auch von der Besucherzahl, den Angeboten, unseren Partnern ab, die Geld mitbringen. Es ist wichtig, den Schlossverein zu unterstützen, um Spenden zu werben, denn es fehlen noch ein paar Millionen Euro zur Fertigstellung der Fassaden.

Was halten Sie da vom freien Eintritt?

Das ist eine grundsätzliche politische Frage: ob Leistungen im Gemeinwohl kostenfrei sind. Die Diskussion kann man genauso im Bereich der Schulen oder dem öffentlichen Nahverkehr führen. Ich finde die dreijährige Testphase für die ständigen Angebote gut. Sonderausstellungen, die temporären Formate werden etwas kosten. Ich weiß aber, dass der freie Eintritt auf der Museumsinsel, beim Berliner Dom, dem Deutschen Historischen Museum keine Freudenstürme auslöst, da sie Besucherabwanderung befürchten. Wir werden die Auswirkungen mit den Kollegen diskutieren. Langfristig muss es eine einheitliche Regelung geben.

Im Moment wird über das Humboldt-Forum vor allem als Aufbewahrungsort von Exponaten aus dem kolonialen Kontext diskutiert. Wie bringen Sie sich da als Experte für die Hohenzollern ein?

Auch Preußen hat eine Geschichte des Kolonialismus. Die Hohenzollern hatten in Afrika Handelsstützpunkte. In den Sammlungen der preußischen Schlösser gibt es Stücke, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden müssen. Die Elfenbeinmöbel im Schloss Oranienburg haben eine andere Geschichte als die ostasiatischen Porzellane in Schloss Charlottenburg – ob als Handelsware oder Geschenke. Auch wir betreiben Provenienzforschung in Sachen Bodenreform, DDR- Unrecht, NS-Raubkunst. Konkret sind die Staatlichen Museen in der ersten Verantwortung. Das Humboldt-Forum aber muss das Thema offensiv ansprechen und die Ergebnisse vorstellen, wenn sie mitunter auch unbefriedigend sein mögen.

Sollten Sie nicht im Herbst 2019 mit einer Sonderschau zu dem Thema an den Start gehen?

Es gibt viele Initiativen. Der Museumsbund hat gerade seinen Leitfaden herausgegeben, das DHM plant eine Tagung zu einem Steinkreuz aus Namibia, das Auswärtige Amt macht gerade eine Veranstaltung in Hamburg. Auch international ist viel in Bewegung. Wir verfolgen genau, was Bénédicte Savoy im Auftrag der französischen Regierung mit ihrem senegalesischen Kollegen Felwine Sarr in Erfahrung bringt. Im Humboldt-Forum kann das unterschiedliche Formen annehmen – ob als Kolloquium, Datenbank oder Podcast.

Am Humboldt-Forum wird diese Problematik repräsentativ für die Republik verhandelt.

Wir sind zwar der prominenteste Ort, aber die Aufgabe stellt sich auch ethnologischen Sammlungen in Leipzig, Hamburg oder Stuttgart. Das können wir nicht alleine lösen.

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