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ilb-Festivalleiter Ulrich Schreiber vor dem Haus der Berliner Festspiele

© Kai-Uwe Heinrich TSP

Internationales Literaturfestival Berlin: Zum plötzlichen Rücktritt von Ulrich Schreiber

Machtmissbrauch? Nach 22 Jahren ist der Gründer und Leiter des Internationalen Literaturfestivals Berlin von seinem Amt zurückgetreten.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Es ist eine Überraschung, auch wenn so ein Schritt nach über zwanzig Jahren für ein Festival dieser Größenordnung schon länger notwendig schien: Ulrich Schreiber, der Gründer und Leiter des Internationalen Literaturfestivals Berlin (ilb), hat am Montag bekanntgegeben, von seinem Posten zum Ende des Monats zurückzutreten, mitten in den Vorbereitungen zur 23. Ausgabe des Festivals im September und ohne Gründe für seinen Rücktritt zu nennen.

Nun mögen Überraschung und Überfälligkeit das eine sein. Das andere, und vor diesem Hintergrund ist Schreibers Abdankung womöglich nicht so überraschend, sind die Vorwürfe gegen ihn, die kurz nach dem Ende des letztjährigen Festivals bekannt wurden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Teams hatten sich in Mails an die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und an Kulturstaatsministerin Claudia Roth über den Führungsstil Schreibers beklagt. Von „Aggressivität, Respektlosigkeit, Misstrauen und Unprofessionalität“ war darin die Rede, aber auch von „Machtmissbrauch“ und einem „toxischem Arbeitsklima“.

Schreiber wies die härtesten Vorwürfe naturgemäß zurück und stellte strukturelle Veränderungen in Aussicht, eine Verschlankung des Festivals. Tatsächlich erschien das ilb von seinen ersten Ausgaben an immer eine Idee zu überdimensioniert, gerade im Vergleich mit der bescheidenen finanziellen Ausstattung; die Beschwörung der Welt, der Weltliteratur, der gesellschaftspolitischen Verantwortung war immer das Mindeste.

Finanziell wurde es mit den Jahren nicht zuletzt dank Schreibers unermüdlicher Bestrebungen zwar etwas besser, Hauptförderer des Festivals ist der Hauptstadtkulturfonds, doch gehörten Selbstausbeutung und Idealismus bislang stets zu den Grundpfeilern dieses Literaturfestivals.

Sowas funktioniert, wenn überhaupt, nur in einem Arbeitsumfeld, in dem es ein gutes, respektvolles, hierarchieflaches Miteinander gibt. Bei all den Verdiensten und dem Engagement des 71-jährigen wirkte seine Alleinherrschaft auch anachronistisch. Gut möglich, dass Ulrich Schreiber nicht ganz freiwillig zurückgetreten ist.

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