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Szene aus „La Gioconda“ an der Deutschen Oper Berlin    

© Bettina Stöß

Kolumne „Der Klassiker“ (Folge 56): Ist das Kult oder kann das weg?

Der designierte Intendant der Deutschen Oper Berlin, Aviel Cahn, will als erste Amtshandlung die legendäre „Gioconda“-Inszenierung aus dem Repertoire kicken. Keine gute Idee.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Das fängt ja gut an! Es dauert zwar noch zweieinhalb Jahre, bis Aviel Cahn die Intendanz der Deutschen Oper Berlin übernehmen wird, doch schon jetzt ist es ihm gelungen, sich nachhaltig unbeliebt zu machen, im Haus wie bei der Stammkundschaft. Herr Cahn hat nämlich beschlossen, dass die Tage der legendären „La Gioconda“-Produktion gezählt sind.

Das Besondere, ja Einmalige an dieser Inszenierung sind die historischen Bühnenbilder: riesige, von Hand gemalte Prospekte aus der Entstehungszeit der 1876 uraufgeführten Oper. Wenn sich der Vorhang zum 1. Akt öffnet, sieht man den Dogenpalast auf dem Markusplatz, später wechselt die Szenerie in die Ca d’Or am Canal Grande. Opulenter, prachtvoller kann man Musiktheater nicht inszenieren.

Eine einmalige Produktion

Und das passt perfekt zu der glutvollen, leidenschaftlich lodernden Musik, die Amilcare Ponchielli für sein Venedig-Melodramma komponiert hat. Viele, sehr viele Menschen in dieser Stadt lieben die altmodische Ausstattung und Ausstrahlung von „La Gioconda“, die seit 1974 mit schöner Zuverlässigkeit alle drei Jahre auf dem Spielplan steht. Nur Aviel Cahn kann dem Spektakel offenbar wenig abgewinnen.

Die Produktion geht nun noch vier Mal an der Bismarckstraße über die Bühne, dann soll nach dem Willen des designierten Intendanten Schluss sein. Die Bühnenprospekte sollen übers Internet verramscht werden. Ob sich auf der Plattform „FundusNet – Marktplatz für gebrauchte Theaterausstattung“ tatsächlich jemand findet, der die vielen hundert Quadratmeter gemalte Leinwand gebrauchen kann?

Ein großes Haus wie die Deutsche Oper hat kontinuierlich die beeindruckende Zahl von 55 Produktionen im Repertoire. Aber es ist natürlich sehr teuer, so viele Bühnenbilder zu lagern. Darum müssen regelmäßig alte Produktionen entsorgt werden, um Platz für Neues zu schaffen. Und in der Tat: Mir fallen aus jüngster Zeit sofort jede Menge missglückter Inszenierungen ein, auf die ich problemlos verzichten könnte. Nicht jedoch auf „La Gioconda“.

Aber es ist ja zum Glück ganz einfach für uns Opernfans, gegen Aviel Cahns Plan zu protestieren: Hingehen, Tickets für die gefährdete Produktion kaufen, die Bude voll machen, den Künstlerinnen und Künstlern zujubeln. Nichts ist so überzeugend wie der Erfolg.

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