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Der Neue. Dirigent Christoph Eschenbach.

© Jonas Holthaus

Konzerthausorchester Berlin: Selbst das Pianissimo hat Tiefenschärfe

Der neue Chefdirigent Christoph Eschenbach tritt mit "seinem" Konzerthausorchester auf - und Organist Cameron Carpenter sorgt für unglaubliche Soundeffekte.

Am Mittwoch hat Christoph Eschenbach seinen Vertrag als Chefdirigent des Konzerthausorchesters unterzeichnet. Bevor er im Herbst 2019 startet, macht sich der Maestro allerdings rar. Nach den Auftritten mit seinem künftigen Ensemble in dieser Woche wird er bis zum offiziellen Amtsantritt nicht mehr am Gendarmenmarkt zu erleben sein. Der 78-Jährige ist einfach zu gut gebucht, zum Beispiel vom Deutschen Symphonie-Orchester, bei dem er in der kommenden Saison gleich zweimal gastiert.

Begonnen hat Eschenbach seine Karriere als Pianist, seit 1972 dirigiert er auch. Als Fachmann für die Schlüsselwerke des 20. Jahrhunderts wird er ebenso geschätzt wie als Operninterpret. Beide Gebiete wird er mit dem Konzerthausorchester bearbeiten, jährt sich doch 2021 nicht nur die Eröffnung des Schinkelschen Musentempels zum 200. Mal, sondern auch die Uraufführung von Webers „Freischütz“ am Gendarmenmarkt.

Jetzt aber präsentiert Eschenbach erst einmal ein ganz konventionelles Programm, in der Abfolge Ouvertüre, Solokonzert und Sinfonie, so wie man Abo-Abende zu konzipieren pflegte, als er noch ein junger Mann war. Das Ergebnis ist allerdings spannender, als die Ankündigung zunächst vermuten lässt. Maximal energetisch wünscht sich Eschenbach Dvoráks „Karneval“-Ouvertüre von den Musikerinnen und Musikern. Und die ziehen voll mit, zeigen sich als brillantes Kollektiv, reagieren blitzschnell in den Presto-Passagen und liefern feine atmosphärische Schattierungen im langsameren Mittelteil.

Der Neue will das Publikum packen

Mit Christoph Eschenbach zieht ein neuer Geist ein, das spürt man sofort. Vom Temperament her ist er ganz anders gelagert als der scheidende Chefdirigent Ivan Fischer. Der Ungar interpretiert sensibel seismografisch, oft aber klingt es bei ihm auch nach Elfenbeinturm. Eschenbach dagegen wird von einem starken Mitteilungsbedürfnis getrieben, will spannend erzählen, das Publikum packen. Selten erlebt man die Akustik des Konzerthauses so offen, so präsent und prägnant wie jetzt bei Dvoráks 8. Sinfonie. Dabei bleibt das Klangbild stets klar, die einzelnen Stimmen sind gut nachvollziehbar, selbst das Pianissimo hat Tiefenschärfe. Ein Live-Erlebnis, bei dem die Musik den Zuhörern sehr nahe kommt.

Maximal extrovertiert, aufs Spektakuläre zielend ist auch Cameron Carpenters „International Touring Organ“. 2015 hat sich der Amerikaner das elektronisch gesteuerte Instrument mit den schier unbegrenzten Klangmöglichkeiten bauen lassen. Über die ganze Breite der Saalwand sind Dutzende Lautsprecher verteilt, das Orchester wird zur Hintergrundkulisse, wenn Carpenter mit seiner Fassung von Rachmaninows „Paganini-Rhapsodie“ loslegt. Er ist ein Virtuose mit allen Gliedmaßen, mit den Füßen auf den Pedalen genauso flink wie mit den Händen auf den fünf Manualen, und er kreiert unglaubliche Soundeffekte, von Panflöte bis Synthesizer. Mal muss man an den „Zauberlehrling“-Zeichentrickfilm in Disneys „Fantasia“ denken, mal an das „Phantom der Oper“ – und doch passt sein Zugriff zum Werk. Schließlich hat es der Komponisten selber schon 1934 in der originalen Klavierversion als Paradestück mit Showqualitäten konzipiert.

Wieder an diesem Sonntag um 11 Uhr (Familienkonzert) und 16 Uhr. Deutschlandfunk Kultur sendet einen Mitschnitt am 8. Juli ab 20 Uhr.

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