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Kultur: Schwarz ist nicht gleich schwarz

Das 19. Festival des „Black International Cinema“ erzählt von einem Leben im Schatten

Ein Marokkaner in Berlin. Ankunft Tieckstraße, wo seine Sommerliebe Beata wohnt. Doch von Beata keine Spur. Nichts als der Anrufbeantworter. Was macht ein Fremder in Berlin, ohne Geld, ohne Freunde, ohne Sprache? Youssef Rabbaoui bleibt. Er nimmt sich ein Zimmer. Er würde sich schämen, in die Heimat zurückzukehren. Und er bleibt zuversichtlich. Auch als eines Tages vor seiner Wohnung eine Kokosnuss und ein Messer liegen. Als er den Vorfall der Polizei meldet und der Beamte ihn fragt, ob er Familienmitglieder habe, die Voodoo praktizieren. Als die Nachbarn seine Post klauen, so dass er erst am Telefon erfährt, dass sein Vater vor zwei Monaten gestorben ist. Youssef Rabbaoui bleibt. Und macht einen Kurzfilm über seine Erfahrungen: „Yolo“.

Yolo ist ein „schwarzer, resignierter Held mit Dreitagebart“, sagt Rabbaoui. Er ist in die deutsche Hauptstadt gekommen, um einer Frau einen Paradiesvogel zu schenken. Mit wenigen Dialogen und improvisierten Szenen, meist mit Freiwilligen auf der Straße gedreht, begleitet die Kamera den erzwungenen Nomaden und schildert, wie er vor der Currywurstbude am Stuttgarter Platz steht und ihm die Worte fehlen. Wie Einsamkeit und Fremde ihn immer eisiger umklammern.

Rabbaouis 16-minütiger Film ist einer von rund 40 Filmen – überwiegend Erstaufführungen –, die auf dem 19. Festival des „Black International Cinema“ gezeigt werden. Wobei es nicht um die Hautfarbe, sondern um eine „schwarze Erfahrung“ geht. Eine Reportage über das Schicksal der so genannten „DDR-Kids“, die in den Siebzigerjahren aus Namibia in den real-sozialistischen Lehrstaat kamen und mit dem Fall der Mauer als Deutsch-Afrikaner in ihr Heimatland zurückkehrten, steht neben Spielfilmen über den „schwarzen Mozart“ Chevalier de Saint George oder über Rassenunruhen in Oklahoma. Wer sich bewirbt, wird auch gezeigt. Das entspricht dem künstlerischen Credo von Festival-Gründer Donald Muldrow Griffith: „Integration“ und „Inklusivität“. Als Griffith das Festival 1986 ins Leben rief, sollte es vor allem Künstler aus der afrikanischen Diaspora zusammenbringen und schwarzer Kultur in Deutschland ein Podium bieten. Der Dokumentarfilm „A Man Without Limits“ zeigt das Startfestival in all seiner enthusiastischen Improvisation. Er wurde noch vor der Wende mit polnischen Filmemachern produziert – und wird regelmäßig wie eine Rückversicherung ins Programm genommen. Um den berühmten schwarzen Balletttänzer Cornell Lyons bildete sich damals das Mischkonzept aus Filmen, Workshops und Konzerten in englischer Sprache heraus: Interdisziplinarität der Künste als Vorbild für Interkulturalität.

Auch Festivalmacher Griffith versteht sich als ein „Renaissance-Mann“: studierter Psychologe, gelernter Tänzer, Choreograph, Schauspieler, Organisator. „In Deutschland denkt man so: Tänzer tanzen, Sänger singen.“ Das wunderte ihn schon 1979, als er an das Berliner „Theater des Westens“ kam. Heute fungiert er als eine Art Archivar, der Fundstücke der schwarzen Kultur in Deutschland zusammenklaubt und zu Ausstellungscollagen verarbeitet. Erst kürzlich erschienen von ihm zusammengestellte Dokumente aus dem Archiv der Humboldt-Universität über die Aufenthalte der schwarzen Wissenschaftler Paul Robeson und W.E.B. DuBois in Ost-Berlin. Auch wenn es nicht immer einfach ist: Griffith ist froh, in Berlin geblieben zu sein.

Auch Yolo bleibt. Seine Geschichte, „ein poetisch-philosophisches Märchen“, wie Regisseur Rabbaoui erklärt, glaubt an das Gute. „Es schenkt dem Zuschauer das Glück und Vergnügen zu träumen.“ Rabbaoui, der sich als „Optimist, trotz allem“ bezeichnet, hat geheiratet und plant als Nächstes einen poetischen Spielfilm „Poem of Berlin“ über einen, der es hier geschafft hat.

Doch einen Film über seine negativen Erfahrungen in Deutschland, rassistische Vorurteile und die Schikane auf der Ausländerbehörde, wird er auch noch machen. Da ist er sich sicher.

19. Black International Cinema, 6.–9.5., im Klick Filmtheater (Windscheidstr. 19, Charlottenburg). Wiederholung: 13.-17.5. im Nickelodeon (Mitte). www.black-international-cinema.com

Nikola Richter

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