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Tätowiere deine Seele: Bad Gastein als Hotspot für aktuelle Kunst

Dank der Initiative „Sommer.Frische.Kunst“ ging es ein Jahrzehnt mit dem Kurort im Salzburger Land bergauf. Nun wollen viele am Erfolg teilhaben.

Der Laden auf der Promenade ist geschlossen, hier kauft niemand ein. Das Schaufenster trägt Gardinen, in der Auslage verstauben ein leerer Vogelkäfig und Tierfiguren aus Ton. Ein privates Idyll à la Bad Gastein, das allerdings gerade empfindlich gestört wird. Denn ein Haus weiter hat sich Pegasus Product niedergelassen – ein Berliner Trio mit empfindlichen Antennen. Und die reagieren begeistert auf solche Nachbarschaften.

Im „Pegasus-Seelen-Peckerl-Studio“ steht auch ein Vogelkäfig im Fenster. Etwas lädiert, die Tränke wurde aus einer Plastikflasche gebastelt. Und auch sonst liegt ziemlich viel Recyceltes bei den drei Künstlern herum. „Zivilisatorischen Grind“, würde Gernod Seeliger es nennen, doch er ist gerade anderweitig beschäftigt: Mit einer wippenden Brezel auf dem Kopf bespricht er mit einer „Kundin“, was ihr später im Nebenraum auf die Seele tätowiert wird. Willkommen bei der „Sommer.Frische.Kunst“ in Bad Gastein, das lange verfiel. Die Kunst hat den Kurort nicht allein, aber doch maßgeblich wiederbelebt. Jetzt muss sie aufpassen, dass der Erfolg sie nicht überrollt.

Als die Hamburger Kuratorin und Netzwerkerin Andrea von Goetz 2011 die erste Infusion setzte, lag das österreichische Tal nahezu im Koma. Wintersport in den umliegenden Bergen war immer Thema, im Sommer aber offenbarte der verwaiste Ortskern neben dem mächtigen Wasserfall seine leeren Grandhotels und eine verfallende brutalistische Kongresshalle von 1974. Missglückte Spekulationen mit Immobilien sorgten für jenen feinen „Lost Place“.

Diese Zeiten sind vorbei. Die ersten großen Hotels werden gerade, wenn auch behutsam, luxussaniert und wiedereröffnet, mehrere Baugenehmigungen schüren Erwartungen einer blühenden Hotellerie. So viel Erweckung beflügelt nicht allein Pegasus Product: Entlang der Kaiser Wilhelm-Promenade, wo ein Großteil der „Sommer.Frische.Kunst“ angesiedelt ist; wo Andrea von Goetz seit langem leer stehende Läden wie auch die umliegende Natur für spannende Projekte mit zeitgenössischen Künstler:innen nutzt, stehen plötzlich mehrere Stahlskulpturen wie aus den achtziger Jahren. Eine neuer Einfall?

Es gibt eine feine Kunstmesse

Goetz verneint. Auf ihre Initiative stehen andere Skulpturen im Ort. Etwa von Thomas Kiesewetter am Abstieg zum Kraftwerk: Zitronengelb und mit Verweisen auf Kubismus, Abstraktion, Konstruktivismus. Alles ist da auf dem Weg in das halb instandgesetzte Gebäude, in dem seit 2022 die kleine Messe „art:badgastein“ stattfindet. Ein gutes Dutzend Galerien, darunter Klemm’s und PSM aus Berlin, stellen gerade ihre Künstler:innen im Salzburger Land vor. Deren Arbeiten sind überwiegend kleinformatig, die Preise liegen selten über ein paar tausend Euro. Bloß Gisela Clement schert aus: Die Bonner Galeristin hat wichtige Werke von Ulrike Rosenbach dabei. Begleitend zur Retrospektive im ZKM Karlsruhe zeigt sie Wegmarken der 80-jährigen Medienpionierin.

Der Sommerfrische droht Gefahr

Nach der Messe ziehen andere Künstler:innen ins Kraftwerk, um dort in „Open Studios“ zu arbeiten. Die Ausstellungen auf der Promenade, wo unter anderem Bilder von Dennis Buck, Andi Fischer, Conny Maier und Danni Pantel hängen, sind ebenfalls bis in den August, teils auch länger zu sehen. Ihre Präsenz sorgt – zusammen mit Gastronomen, die das belebende Miteinander von lokalem Kolorit und globalem künstlerischen Diskurs verstehen – für das einzigartige Flair dieser Wochen. Die stählernen Skulpturen in unmittelbarer Nachbarschaft, eine Intervention der Gemeinde, stehen eher für die neuen Begehrlichkeiten: Nun möchte jeder am Erfolgsmodell teilhaben. Bleibt zu hoffen, dass die Sommerfrische in Bad Gastein trotz aller Modernisierung ihre Seele nicht überschreiben muss. Es wäre das Ende eines großartigen Projekts.

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