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Viel Aufwand, keine Entschädigung? Thomas Brussig.

© imago/Emmanuele Contini/IMAGO/Emmanuele Contini

Wenn das Gratisdenken grassiert: Ist doch Werbung fürs Buch, oder?

Schriftsteller Thomas Brussig ärgert sich über die schlechte Zahlungsmoral der Öffentlich-Rechtlichen

Ein Kommentar von Thomas Brussig

Ein gängiger Vorwurf gegen das Internet lautet, dass diejenigen, die es mit kreativen Inhalten füllen und dessen Wert überhaupt erst schaffen, dafür nicht entgolten werden (während jene, die diese Inhalte ordnen und bereitstellen, daran verdienen, etwa mit Werbung). Entsprechend schlicht geht es im Internet zu: Katzenvideos, Selbstdarsteller, Alltagswahnsinn, Fremdschäm-Stoff bis zum Abwinken.

Das Kontrastprogramm dazu ist der beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk: Da wird praktisch keine Sekunde ausgestrahlt, der nicht redaktionelle Überlegungen und Meetings vorausgehen, und dass Qualität Geld kostet, ist eine Selbstverständlichkeit. (Deswegen gibt es Rundfunkbeiträge.)

Allerdings scheint das Gratisdenken des Internets den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu infizieren; als ich kürzlich eine Einladung in die SWR1-Hörfunk-Sendung „Leute“ erhielt, um dort über mein neues Buch „Meine Apokalypsen - Warum wir hoffen dürfen“ (Wallstein) zu reden, einen Beitrag zur Klimadiskussion, zu hieß es, dass Bahnticket (Berlin-Stuttgart-Berlin) und Hotel übernommen werden, ein Honorar (oft „Aufwandsentschädigung“ genannt) aber nicht.

Wenn das so ist, ließ ich ausrichten, lasst uns das Gespräch lieber aus dem Hauptstadtstudio per Standleitung führen. Wozu hat die ARD ihre tolle Infrastruktur? Aber die „Leute“-Macher wollen mich in ihrem hippen Studio haben, fürs Video in der Mediathek. Aber he, wenn mir das nicht passt, kommt eben ein anderer, die Warteliste ist lang, denn die Werbung immens; 400.000 hören zu.

Mit Zahlen kann jeder rumschmeißen, sagt meine Mutter immer, und Werbung ist ohnehin so eine Sache. Wer ein Buch schreibt, wird zum Experten eines Themas – und ein Expertengespräch wollen alle hören, ein Verkaufsgespräch hingegen niemand. Abgesehen davon wird die Verkaufswirkung derartiger Sendungen überschätzt. Mediale Präsenz hilft einem Buch, ins Gespräch zu kommen, doch dass die Slotmaschine nach solchen Sendungen zuverlässig klimpert, kannst du vergessen.

Was zählt eigentlich noch das „Literarische Quartett“?

Wie sagte schon Henry Ford: „Die Hälfte der Werbung ist rausgeschmissenes Geld – du weißt nur nicht, welche.“ Und die Adresse für Bestseller gibts nicht mehr. Nicht mal das „Literarische Quartett“ gilt noch etwas; oft wissen Verlage selbst nicht, wie es zu einem Bestseller gekommen ist, wenn sie ihn schon haben.

Wissenschaftler bekommen ein Gehalt, Politiker Diäten. Insofern ist es nicht utopisch, dass manchen Gesprächspartnern ein Honorar nicht wichtig ist. Doch es gibt auch Millionen Deutsche, die (wie ich) nicht von Löhnen, Gehältern, Besoldungen, Renten, Diäten oder Pensionen leben, sondern ausschließlich von Honoraren. Für uns bedeutet Honorarverzicht dasselbe wie für die anderen Lohnverzicht, Rentenverzicht, Gehaltsverzicht usw.

Eine gewisse Empathiefähigkeit sollte allerdings vorhanden sein. Denn kein Ö/R-Mensch will alle fünf Minuten Sinn und Verwendung von Rundfunkbeiträgen rechtfertigen. Es ist unangenehm und peinlich, den eigenen Wert zu erklären. Doch genauso geht es mir (und den zahllosen Gesprächspartnern ohne Festeinkommen), wenn sie Veranstaltern aller Couleur begreiflich machen müssen, dass ein gewisses Gesprächsniveau einfach mal bezahlt gehört.

Natürlich können wir Honorarempfänger die Entscheidung, wo wir auftreten, nicht allein davon abhängig machen, ob Aufwandsentschädigungen angeboten werden. Aber sie sollten Usus sein, sollten zum guten Ton gehören, etwa wie Trinkgeld. Erst recht, wenn du jemanden zwei Tage Zugfahrt ans Bein bindest, wo es mit zwei Viertelstunden Fußweg auch getan wäre.

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