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Seymour Cassel am Set der romantischen Komödie "Passionada" aus dem Jahr 2002.

© imago images / EntertainmentPictures

Zum Tod von Seymour Cassel: Die Milden und die Verrückten

Er war das Alter Ego von John Cassavetes und der Lieblingsdarsteller von Wes Anderson. Ein Nachruf auf den wunderbaren US-Schauspieler Seymour Cassel.

John Cassavetes hat ihn einmal den Bruder genannt, den er nie hatte: Der Schauspieler Seymour Cassel war das Alter Ego des großen Independent-Reggiseurs, mit Hauptrollen in „Faces“ von 1968 und „Minnie and Moskowitz“ drei Jahre später, an der Seite von Gena Rowlands, die mit Cassavetes verheiratet war. Rowlands und Cassel, sie waren das hohe Paar des amerikanischen Indie-Kinos, sie verkörperten die Verstörungen, die Psychopathologie der modernen Gesellschaft.

Bald 30 Jahre arbeiteten Cassavetes und Cassel zusammen, Cassel bezeichnete den Regisseur umgekehrt als seine Rettung. 1935 in Detroit als unehelicher Sohn einer Burlesque-Tänzerin und eines Nachtclubbesitzers geboren, drohte er als Jugendlicher, auf die schiefe Bahn zu geraten, absolvierte einen dreijährigen Militärdienst und lernte unter anderem am legendären Actor’s Studio.

Cassavetes engagierte ihn 1959 für „Shadows“, später gehörte Cassel zum Ensemble von „The Killing of a Chinese Bookie“ und „Love Streams“. Das immer schon zerfurchte Gesicht mit dem Schnauzbart, das Zerknautschte, Verwirrte seiner Figuren, die angeraute Stimme und die leise Selbstironie machten ihn zum sympathischen Antihelden. Auch später in den Filmen von Wes Anderson, nach der traurigen Zäsur in Cassels Berufsleben durch den frühen Tod von Cassavetes 1989.

Charakterdarstellung definierte der Schauspieler einmal so: „Es macht Spaß, eine Rolle auszufüllen und sie ein bisschen ins Verrückte zu drehen, denn in jedem von uns steckt ein bisschen Verrücktheit.“ Anderson war für seine ja ohnehin ein bisschen verrückten Film auf Cassel aufmerksam geworden, als der in Alexandre Rockwells „In the Soup“ (1992) einen Gangster spielte, der zum Gönner eines Möchtegern-Autorenfilmers wird – um ihn dann mehr und mehr in seine illegalen Geschäfte hineinzuziehen. Cassel wirkte in Andersons „Rushmore“ mit, auch bei den „Royal Tenenbaums“ und in „Die Tiefseetaucher“.

Bis 2014 stand er vor der Kamera, für mehr als 200 Kino- und Fernsehproduktionen, darunter auch in "Raumschiff Enterprise", "Dick Tracy" und "Ein unmoralisches Angebot". Am Montag ist Seymour Cassel an den Folgen einer Alzheimer-Erkrankung in Los Angeles gestorben. Er wurde 84 Jahre alt.

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