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Mundschutz muss sein. Mitarbeiter und Kunden haben in österreichischen Geschäften klare Vorschriften zu befolgen.

© imago images/Eibner Europa

Anti-Corona-Maßnahmen im Testfall Österreich: „Jeder Kunde bekommt jetzt eine Maske“

Wie der Handel und die Kunden mit lockereren Corona-Restriktionen umgehen – und welche Herausforderungen das für den Alltag bringt. Ein Blick nach Österreich.

Österreich hat in dieser Woche als eines der ersten europäischen Länder die Anti-Corona-Maßnahmen wieder gelockert. Seit Dienstag dürfen kleinere Geschäfte sowie Bau- und Gartenmärkte - die im Gegensatz zu Deutschland vier Wochen lang schließen mussten - wieder öffnen.

Wir haben Jürgen Wagner, Verkaufsleiter der Hagebau-Märkte in Österreich, befragt, wie der Handel und die Kunden mit der neuen Situation umgehen. Ein Gesprächsprotokoll.

"Wir haben ein kleines Wunder vollbracht"

Hut ab vor unserer Kundschaft, die hat sich extrem diszipliniert verhalten. Rund vier Wochen lang waren alle unsere Filialen wegen der Pandemie geschlossen gewesen. Als wir dann am Dienstagmorgen um 7.40 Uhr wieder öffneten, standen die Kunden schon in Warteschlangen von bis zu 100 Metern vor der Tür. Es lief aber alles sehr geordnet ab und die Menschen haben den Mindestabstand von einem Meter eingehalten. Jeder hat verstanden, worum es geht, quer durch alle Altersgruppen.

Wir hatten uns auf diesen Moment gut vorbereitet. Und das in sehr kurzer Zeit. Am Gründonnerstag wurde das Gesetz mit den neuen Vorschriften für den Handel in Österreich verabschiedet – und wir haben dann über die Osterfeiertage unsere Märkte so eingerichtet, dass Kunden und Mitarbeiter bestmöglich geschützt sind. So haben wir an allen Kassen und Infobereichen Plexiglasscheiben angebracht, vor den Kassen markieren Bodenaufkleber den Sicherheitsabstand.

Jürgen Wagner ist Verkaufsleiter der rund 60 Hagebau-Märkte in Österreich.

© Privat

Die größte Herausforderung war, in so kurzer Zeit genug NMS-Masken zu besorgen, also Nasen-Mund-Schutzmasken. Denn jeder Kunde muss in Österreich jetzt eine Maske haben, wenn er einkaufen geht. Wir haben ein kleines Wunder vollbracht, in dem wir innerhalb weniger Tage 200.000 Masken für alle unsere Filialen besorgt haben. Jeder Kunde, der zu uns kommt, bekommt jetzt eine angeboten.

Manche Märkte geben die gegen eine Spende von einem Euro ab, die im Fall einer Filiale an ein Krebs-Hospital für Kinder geht. Bisher haben aber 95 Prozent der Kunden schon ihre eigenen Masken. Wir haben jetzt erstmal genug Masken für die nächsten zehn Tage, dann sollte die nächste Lieferung kommen, sodass der Nachschub bis Ende Mai gesichert ist.

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Wir bieten unseren Kunden beim Ankommen auch Einweghandschuhe an, was eine Empfehlung der Regierung ist, aber etwa jeder zweite hatte bereits eigene Handschuhe dabei. Wir halten die Hygieneregeln strikt ein und gehen noch darüber hinaus.

Wir haben jetzt zusätzlich vor jedem Markt zwei zusätzliche Mitarbeiter für die Sicherheit, die den Kunden erklären, wo die desinfizierten Einkaufswagen stehen und wo sie die benutzten Wagen nach dem Einkauf abgeben. Die werden dann von den Mitarbeitern mit Flächendesinfektionsmittel aus Sprühflaschen gereinigt, bevor sie wieder den Kunden angeboten werden.

Klopapier? Davon gibt es inzwischen genug

Die Zahl der Wagen haben wir etwa um 20 bis 30 Prozent reduziert. Es gibt jetzt vor jeder Filiale nur noch so viele Einkaufswagen, dass jeder Kunde im Markt 20 Quadratmeter Platz hat. Das heißt, bei einer Filiale mit 5000 Quadratmetern stehen nur noch 250 Einkaufswagen. Das ist von der Regierung so vorgegeben.

Am meisten wurden nach der Wiedereröffnung Farbe, Silikon und andere Materialien gekauft. Viele Österreicher sind immer noch in Kurzarbeit und haben großen Sanierungsbedarf zu Hause. Auch Erde, Pflanzen und andere Dinge für den Garten wurden viel gekauft.

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Klopapier hingegen haben offenbar inzwischen genug Menschen auf Vorrat. Da hatte es wie in Deutschland auch in Österreich vorübergehend Hamsterkäufe gegeben. Aber jetzt ist der Bedarf gedeckt: In unseren Regalen gibt es immer noch genug davon.

Was mich überrascht hat: Wie problemlos die Kunden das bargeldlose Zahlen akzeptiert haben. Wir hatten vorher unsere Kunden darum gebeten, und es haben sich die meisten Kunden bis ins Alter von 85 oder 90 Jahren daran gehalten.

Im Vergleich zum normalen Frühlingsverhalten ist auch auffallend, dass die meisten Kunden aus dem Einkauf kein Familienevent gemacht haben, wie das sonst zu dieser Jahreszeit vor allem im Gartenbereich üblich ist. Statt mit Kindern und Hunden sind die meisten Kunden alleine gekommen und haben ihre Einkaufsliste abgearbeitet.

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Unsere Arbeitsabläufe haben wir jetzt so umgestellt, dass mehr im Schichtsystem gearbeitet wird, sodass die Mitarbeiter einander möglichst wenig begegnen. Außerdem müssen die Mitarbeiter in allen Räumen stets Maske und Handschuhe tragen.

Auf diesen Moment, in dem wir wieder öffnen dürfen, haben wir uns schon lange gefreut. Wir haben zwar auch während der Schließung weitergearbeitet, da wir auf einen Zustellservice umgestellt hatten. Wir verstehen uns als Grundversorger. So haben wir viele Kunden, gerade ältere Menschen, auch während der Schließung mit Heizmaterialien wie Holz und Kohle versorgen können. Dadurch waren in jedem Markt etwa 10 bis 15 Mitarbeiter im Dauereinsatz, während die anderen auf Kurzarbeit waren.

Dieser Zustellservice hatte allerdings eine enorme Dimension angenommen, die wir nicht erwartet hatten. Wir haben am Schluss zwischen 100 und 200 Zustellungen pro Tag und Filiale gehabt – das war auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten.

Inzwischen sind wir wieder bei etwa 60 Prozent unseres Arbeitsvolumens. Die Kurzarbeit läuft aber auch nach der Wiedereröffnung unserer Märkte formal weiter – es weiß doch im Moment keiner, ob nicht irgendwann noch eine zweite Welle kommt und wir wieder schließen müssen.

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