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Kostunica

© AFP

Serbien: Auf Abwegen

Serbiens Premier Kostunica setzt den Präsidentschaftsbewerber Tadic unter Druck: Dieser müsse seinen Pro-Europa-Kurs aufgeben, sonst werde er seinen Koalitionspartner nicht unterstützen. Will Kostunica mit den Ultranationalisten zusammengehen?

Der serbische Premierminister Vojislav Kostunica versucht, den proeuropäischen Präsidentschaftskandidaten Boris Tadic zu erpressen. Kostunica will seinen Koalitionspartner bei der Stichwahl in einer guten Woche nur dann unterstützen, wenn dieser seinen klaren Pro-Europa-Kurs aufgibt. Tadic wies die Forderung zurück. Kritiker warnen, Kostunica arbeite auf ein Zusammengehen mit den ultranationalistischen Radikalen hin.

Kostunicas nationalistisch-konservative Demokratische Partei Serbiens (DSS) hat Tadics prowestlicher Demokratischer Partei (DS) eine Änderung des bestehenden Koalitionsvertrag vorgeschlagen. Darin wird zwar die Bereitschaft betont, das bereits paraphierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU zu unterzeichnen. Doch der Text verpflichtet die serbische Regierung, das SAA sofort für ungültig zu erklären, falls die EU ihre geplante zivile Mission zur Ablösung der UN-Übergangsverwaltung Unmik ins Kosovo schickt. Zwar lehnen alle Koalitionspartner in der serbischen Regierung eine Unabhängigkeit des Kosovo entscheiden ab und teilen die Ansicht, dass es zur Entsendung der EU-Mission eines Beschlusses des UN-Sicherheitsrates bedarf. Aber Tadics DS ist nicht bereit, den Weg der europäischen Integration von der Haltung der EU im Kosovo-Streit abhängig zu machen. Genau dies verlangt nun Kostunica. Damit steht Boris Tadic vor einem Dilemma: Will er im erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen vom 3. Februar gegen den Ultranationalisten Tomislav Nikolic von der Serbischen Radikalen Partei (SRS) eine Chance haben, braucht er einen großen Teil der Stimmen aus dem Lager des zusehends europakritischen Premierministers Kostunica.

Wenn Tadic aber die vorgeschlagene Änderung des Koalitionsvertrages unterschreibt, riskiert er, die Wähler der prowestlichen kleinen Parteien zu vergraulen. Auf sie ist er für einen Wahlsieg angewiesen. Zudem würde Tadic damit seine Glaubwürdigkeit bei den eigenen Anhängern und in jenen Kreisen in Brüssel, die sich für eine schnelle Annäherung Serbiens an die EU einsetzen, in Frage stellen. Tadic hatte die Präsidentschaftswahl stets als Referendum für oder gegen die EU bezeichnet und davor gewarnt, mit einem Präsidenten Nikolic würde Serbien zum Geist der 1990er-Jahre unter Slobodan Milosevic zurückkehren.

Tadic ist sich der schwierigen Lage bewusst und versucht deshalb, keinen Zweifel an seiner proeuropäischen Haltung aufkommen zu lassen. Ohne direkt auf Kostunicas Erpressungsversuch einzugehen, sagte er bei einem Wahlkampfauftritt: „Ich lasse nicht zu, dass irgendjemand Bedingungen für die europäische Zukunft Serbiens und die Zukunft unserer Kinder aufstellt.“ Es gebe keine Alternative zum europäischen Weg. Politische Beobachter glauben denn auch nicht daran, dass Tadic Kostunicas Vorschlag zustimmen wird. Es sei nur logisch, dass sich Tadic seiner proeuropäischen Zielgruppe zuwende, glaubt Marko Blagojevic vom nichtstaatlichen Zentrum für freie Wahlen und Demokratie (Cesid).

Tadics Gegenkandidat Nikolic lehnt zwar eine Annäherung an Europa nicht grundsätzlich ab, bevorzugt aber eine engere Partnerschaft mit Moskau. Damit liegt er ganz auf der Linie von Ministerpräsident Kostunica. Der Parlamentsabgeordnete Nenad Canak, dessen kleine prowestliche „Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina“ Tadic unterstützt, warf Kostunica vor, auf das Auseinanderbrechen der Regierung hinzuarbeiten. Es sei völlig klar, dass die DSS „mit den Radikalen eine Regierung bilden will“, sagte er dem Radiosender B92.

Norbert Rütsche

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