zum Hauptinhalt
Junge Muslime am Tempelhofer Feld

© imago images/Stefan Zeitz/stefan zeitz via www.imago-images.de

„Mehr als besorgniserregend“ : Zahl antimuslimischer Übergriffe hat sich 2023 verdoppelt

Diskriminierungen, Beleidigungen und tätliche Angriffe: Mehr als fünf antimuslimische Vorfälle am Tag gab es 2023 in Deutschland. Experten fordern breite Sensibilisierung und Aufklärung.

Die Claim Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit hat im vergangenen Jahr knapp 1926 Fälle von antimuslimischem Rassismus in Deutschland registriert. Das seien fünf Fälle pro Tag und damit ein Anstieg um mehr als 110 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, teilte das Netzwerk muslimischer und nichtmuslimischer Initiativen am Montag bei der Vorstellung seines Lageberichts in Berlin mit.

Darunter seien vier versuchte Tötungen sowie knapp 90 Angriffe auf religiöse Einrichtungen wie Moscheen oder Moscheevereine, Friedhöfe, aber auch muslimische Imbisse. In 178 Fällen wurde Körperverletzung dokumentiert. „Antimuslimischer Rassismus war noch nie so salonfähig wie heute und er kommt aus der Mitte der Gesellschaft“, beklagte Claim-Leiterin Rima Hanano.

Die Vorfälle zeigten, dass antimuslimischer Rassismus sich durch alle Lebensbereiche ziehe, unter anderem bei Wohnungs- und Arztbesuchen sowie in der Schule. Insbesondere nach dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel seien antimuslimische Vorfälle sprunghaft angestiegen.

Besonders alarmierend sei, dass erwachsene Täterinnen und Täter wiederholt Frauen und Kinder auch körperlich attackierten. Angriffe auf Frauen hätten sich sowohl im Bildungsbereich als auch im öffentlichen Raum ereignet.

Der massive Anstieg antimuslimischer Übergriffe sei „mehr als besorgniserregend“, sagt Claim-Leiterin Hanano. Zudem sei mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen, da viele Fälle nicht gemeldet würden.

Die Bedrohungslage werde immer wieder geleugnet, kritisierte Hanano. Sie forderte eine Sensibilisierung und Aufklärung zu antimuslimischem Rassismus in allen gesellschaftlichen Bereichen, besonders in Bildungseinrichtungen und bei der Polizei. Zudem seien eine bessere Erfassung der Fälle und mehr Unterstützung für die Opfer nötig.

Antimuslimischer Rassismus ist schlimmer Alltag für viel zu viele Menschen in unserem Land.

Reem Alabali-Radovan, Bundesintegrationsbeauftragte

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) erklärte anlässlich der Vorstellung des Lageberichts, um Rassismus einzudämmen, sei „Präventionsarbeit von klein auf - also insbesondere bei Kindern und Jugendlichen - unerlässlich“. Für erfolgreiche Präventionsarbeit sei eine gute Datenbasis über das Ausmaß des Phänomens wichtig.

Die Bundesintegrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan (SPD) erklärte, antimuslimische Vorfälle geschähen nicht im luftleeren Raum. Ihnen gingen antimuslimische Diskurse und Narrative voraus, die ein Klima der Ausgrenzung erzeugten und Gewalt und Hetze begünstigten, beklagte sie: „Antimuslimischer Rassismus ist schlimmer Alltag für viel zu viele Menschen in unserem Land.“

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, bezeichnete den rapiden Anstieg muslimfeindlicher Attacken in Deutschland als in höchstem Maße besorgniserregend. Angriffe auf religiöse Einrichtungen und Rassismus an Schulen verdeutlichen aus Sicht des Gewerkschafters die Notwendigkeit, das Dunkelfeld schnellstmöglich zu erhellen.

Das Lagebild wurde auf der Grundlage von Zahlen von 17 Melde- und Beratungsstellen, Angaben aus dem Meldeportal „I-Report“ und bundesweiten Fallzahlen aus der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität und Polizeimeldungen erstellt. Antimuslimische Vorfälle im Internet wurden den Angaben zufolge dabei nicht erfasst.

Die Claim Allianz ist nach eigenen Angaben ein Netzwerk von 50 muslimischen und nichtmuslimischen Akteuren der Zivilgesellschaft und wird vom Bundesfamilienministerium gefördert. (epd, KNA, AFP, dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false