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Mit „Shalom“ begrüßte Steffen Seibert die Menschen in Israel, wo er künftig Deutschland als Botschafter vertritt.

© imago images/Metodi Popow

Das Diplomatenkarussell rotiert: Die neuen Vertreterinnen und Vertreter Deutschlands in der Welt

Ex-Regierungssprecher Steffen Seibert vertritt Deutschland nun in Israel. Auch auf anderen wichtigen Posten gibt es in diesen Tagen spannende Veränderungen. Ein Überblick.

Von Hans Monath

Er ist der prominenteste unter den neuen Botschafterinnen und Botschaftern Deutschlands: Das Gesicht und die Stimme von Steffen Seibert sind den meisten Deutschen vertraut, denn der frühere ZDF-Journalist war elf Jahre lang Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel. Diese Woche hat  sich der 62-Jährige in einem Video auf Twitter als designierter deutscher Botschafter in Israel vorgestellt. Kein Wunder: Der langjährige Moderator des „Heute Journals“ war auch der erste deutsche Regierungssprecher, der Twitter als Medium nutzte.

Auf Englisch und Hebräisch grüßte der künftige Botschafter seine Follower: „Shalom, I am Steffen Seibert“ (Shalom, ich bin Steffen Seibert). Deutschland und Israel verbinde nach den „monströsen Verbrechen der Shoa“ heute eine besondere Freundschaft, sagte er, schließlich seien beide Länder heute „Partner und Freunde“. Eine der „wichtigsten Lektionen“ aus der eigenen Geschichte für die Deutschen, sei es, „zum Staat Israel zu stehen und dessen Sicherheit verpflichtet zu sein“. Als designierter Botschafter stellte sich Merkels Ex-Sprecher vor, weil er den Posten offiziell erst dann antritt, wenn er sein Beglaubigungsschreiben an Staatsoberhaupt Jitzchak Herzog übergeben hat.

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Im diplomatischen Dienst ist Seibert ein Quereinsteiger, freilich einer, der durch seine intensive Beschäftigung auch mit internationaler Politik an der Seite der in Israel hoch geachteten Kanzlerin mehr Kenntnisse über die Beziehung zu seinem Gastland und auch über protokollarische Gepflogenheiten mitbringen dürfte als frühere Botschafter, die wie er keine zweijährige Attaché-Ausbildung im Auswärtigen Amt (AA) absolviert hatten, sondern aus der Politik kamen. Kanzler Olaf Scholz hatte seiner Vorgängerin zugesagt, dass deren Sprecher Botschafter werden könne.

Achtet bei der Auswahl des diplomatischen Spitzenpersonals im Zweifelsfall auch auf die parteipolitische Prägung von Kandidatinnen und Kandidaten: Außenministerin Annalena Baerbock.

© Britta Pedersen/dpa

An 45 deutschen Botschaften, Generalkonsulaten und Konsulaten stehen in diesem Sommer Chefwechsel an, wie das Auswärtige Amt auf Anfrage mitteilte. Damit wird ein Fünftel der knapp 230 Auslandsvertretungen von einer neuen Leiterin oder einem neuen Leiter übernommen. Die Rotation  erfolgt im Rahmen des sogenannten einheitlichen Versetzungstermins, bei dem es sich um einen mehrwöchigen Zeitraum im Juli und August handelt. Der Dienstantritt neuer Botschafterinnen und Botschafter oder Generalkonsulinnen oder Generalkonsule ist daher nicht einheitlich am 1. Juli.

Auch einige ähnlich wichtige und damit hochrangige Botschaften wie die in Tel Aviv bekamen nun neue Leiterinnen und Leiter. So übernimmt Patricia Flor den Posten in Peking. Dieser war zwischenzeitlich interimsmäßig besetzt, nachdem Vorgänger Jan Hecker im Herbst vergangenen Jahres kurz nach Amtsantritt überraschend gestorben war. Auch Hecker hatte wie Seibert eng mit Merkel zusammengearbeitet, war von 2017 an ihr außenpolitischer Berater gewesen. Flor war zuvor EU-Botschafterin in Tokio und Leiterin der AA-Abteilung für Internationale Ordnung, Vereinte Nationen und Rüstungskontrolle.

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Ein längeres Ringen hatte es um die wichtige Position in Washington gegeben, weil die FDP die Stelle für ihren Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff beanspruchte. Dieser kommt aus dem Auswärtigen Amt, hat die hauseigene Ausbildung solviert, bevor er zu einem geachteten Außen- und Sicherheitspolitiker im Bundestag aufstieg. Doch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) setzte sich durch und verlängerte die reguläre Dienstzeit von Emily Haber, die zuvor die erste Staatssekretärin im AA gewesen war.

Baerbock ist auch verantwortlich dafür, dass Miguel Berger London übernimmt. Kurz nach Amtsantritt hatte sie im Dezember 2021 entschieden, den im Hause hoch geachteten Staatssekretär mit einer neuen Aufgabe zu betrauen, womöglich weil dieser als SPD-nah galt und auch schon in der SPD-Fraktion gearbeitet hatte. Baerbock ersetzte ihn durch den damaligen Botschafter in London, Andreas Michaelis. 

Der Diplomat, der Grünen-Mitglied ist und Joschka Fischer einst als Sprecher diente, kehrte damit auf einen Posten zurück, den er von 2018 bis 2020 schon einmal ausfüllte. Wie damals gilt er auch heute als ein äußerst machtbewusster Staatssekretär mit ausgeprägtem Reformwillen, der sich selbst auch um erstaunlich viele Personalien kümmert. Man kann im Fall Michaelis/Berger fast von einem Diplomatenkarussell sprechen: Berger folgte erst Michaelis als Staatssekretär, dann löste ihn dieser ihn wieder ab, Berger folgte ihm auf seinem vorherigen Posten als Botschafter.

Offenbar spielten parteipolitische Erwägungen weniger eine Rolle bei der Berufung von Thomas Bagger zum Botschafter auf dem schwierigen Posten Warschau. Bagger diente Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lange Jahre als außenpolitischer Berater. Anders als bei dessen früherem Mitarbeiter Jens Plötner, der nun außenpolitischer Berater von Kanzler Olaf Scholz ist, wurde Baggers Rolle in der deutschen Russlandpolitik unter Außenminister Steinmeier (2005 bis 2009 und 2009 bis 2017) in der deutschen Politik bislang nicht kritisch beleuchtet.

Ausschlaggebend dafür dürften mehrere Gründe sein: Er diente auch dem liberalen Außenminister Guido Westerwelle (2009 bis 2013) als Büroleiter und Planungsstabchef und sucht die Öffentlichkeit nicht. Plötner hatte kürzlich vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik einen Vortrag gehalten, ein Zitat daraus wurde anschließend vor allem von Unionspolitikern, darunter Fraktionschef Friedrich Merz (CDU), skandalisiert und als Zeichen einer vermeintlichen russlandfreundlichen Haltung gedeutet. Dem erfahrenen Diplomaten Bagger dürfte aber bewusst sein, dass seine polnischen Gastgeber in dieser Hinsicht Fragen an ihn formulieren könnten. In den östlichen EU- und Nato-Ländern gilt Steinmeiers damalige Russlandpolitik als zu naiv gegenüber der aggressiven Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin und als nicht hart genug gegenüber Moskau. Wichtige Politiker in diesen Ländern halten auch die gegenwärtige Berliner Außen- und Sicherheitspolitik seit dem Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine für noch nicht für entschieden genug.

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In einem Schwellenland, das von der Bundesregierung gegenwärtig sehr umworben wird und das viel Einfluss hat, übernimmt ein Diplomat, der Fischer früher als Redenschreiber diente: Botschafter in der indischen Hauptstadt Neu Delhi wird Philipp Ackermann, bislang Leiter der politischen Abteilung 3, die verantwortlich ist für die Beziehungen zu den Staaten im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und in Lateinamerika.

Ackermann löst Walter Lindner ab, den wohl einzigen deutschen Top-Diplomaten mit zum Zopf gebundenen langen Haaren. Der leidenschaftliche Musiker, der ebenfalls einst Fischer als Sprecher diente und später Staatssekretär war, geht in den Ruhestand.  

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