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Der Hauptsitz der Privatbank M.M.Warburg & Co in der Hamburger Innenstadt.

© imago images/Hanno Bode/BODE via www.imago-images.de

Affäre um Cum-ex-Geschäfte: Presse durfte aus Tagebuch von Warburg-Bankier zitieren – gut so

Wegen laufender Strafverfahren im „Cum-ex“-Komplex sollten Zitate eines Ex-Warburg-Bankiers untersagt werden. Gut, dass der Bundesgerichtshof da nicht mitgemacht hat.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Die juristische Aufarbeitung der kriminellen Cum-ex-Aktiengeschäfte belastet nicht nur die Verdächtigen, die sie betrieben haben, und einen Bundeskanzler, der sich wegen seiner Rolle als Hamburger Bürgermeister in dem größten Steuerskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte nun einem weiteren Untersuchungsausschuss gegenüber sieht. Sie belastet auch die Pressefreiheit.

So ist der frühere Chef der Warburg-Bank Christian Olearius gegen Medien vorgegangen, die aus seinen Tagebüchern zitiert hatten – und damit unter anderem Anhaltspunkte für mögliche Verstrickungen der Hamburger Steuerbehörden lieferten.

Die Hamburger Gerichte gingen dabei mit. Der juristische Hebel dafür war Paragraf 353d des Strafgesetzbuchs, der Veröffentlichungen aus Akten laufender Verfahren unter Strafe stellt. Verfahren wie gegen Olearius selbst, der sich demnächst vor Gericht verantworten muss.

Die Tagebuchnotizen des früheren Warburg-Bankiers sind mit guten Gründen in die politische Diskussion geraten. Es wäre widersinnig, sie mit einem juristischen Tabu zu belegen.

Jost Müller-Neuhof

Grundsätzlich soll der Paragraf die Integrität solcher Verfahren sichern. Zugleich aber auch die Unschuldsvermutung. Prozesse sollen nicht in der Öffentlichkeit verhandelt – und vorentschieden – werden, ehe eine Anklage überhaupt verlesen ist.

Es liegt auf der Hand, dass sich der Tatbestand damit in einem Spannungsfeld zur demokratisch erwünschten Kritik und die sie wesentlich tragende Pressefreiheit befindet. Sind nicht viele Missstände, die angeprangert gehören, gerade in Akten laufender Ermittlungsverfahren dokumentiert? Und muss man nicht gerade auch über Verdacht und Verdächtige berichten können?

Die Strafvorschrift versucht hier einen Ausgleich, der meistenteils gelingt – es sei denn, die Justiz vergisst, sie richtig anzuwenden. Richtig heißt: Mit Rücksicht auf die Freiheit der Berichterstattung und das Recht der Presse, ihre Themen selbst zu setzen.

Der Bundesgerichtshof hat nun diese Maßstäbe klar gezogen. Betroffene können bei Falschberichten Unterlassung oder Schadensersatz verlangen und sind damit ausreichend geschützt. Sie können aber nicht den Paragraf 353d für ihre Zwecke funktionalisieren. Hier muss es immer eine Abwägung mit Belangen der Pressefreiheit geben. Zudem seien die beschlagnahmten Tagebücher gar keine „amtlichen Dokumente“, wie es die Vorschrift voraussetzt.

Die Tagebuchnotizen des früheren Warburg-Bankiers sind mit guten Gründen in die politische Diskussion geraten. Es wäre widersinnig, sie mit einem juristischen Tabu zu belegen.

Olearius muss sich den strafrechtlichen Vorwürfen stellen und die gegenwärtige Bundesregierung der Einsicht, dass der Fall Cum- ex noch längst nicht abgeschlossen ist. Das mag Betroffenen nicht immer gerecht erscheinen, aber demokratisch ist es.

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