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Politik: Religionsstreit im großen Zelt

Von Elke Windisch, Moskau Nun hat Afghanistan mit Hamid Karsai zwar ganz offiziell einen Interimspräsidenten – doch den Machtkampf der ethnischen Fraktionen hat das nicht gedämpft. Das Gerangel um die Ministerposten in der Regierung und die Querelen um die Rolle des Islam im neuen Staat haben bereits zu einer Verlängerung der Loya Dschirga – der Großen Ratsversammlung – um mindestens einen Tag geführt.

Von Elke Windisch, Moskau

Nun hat Afghanistan mit Hamid Karsai zwar ganz offiziell einen Interimspräsidenten – doch den Machtkampf der ethnischen Fraktionen hat das nicht gedämpft. Das Gerangel um die Ministerposten in der Regierung und die Querelen um die Rolle des Islam im neuen Staat haben bereits zu einer Verlängerung der Loya Dschirga – der Großen Ratsversammlung – um mindestens einen Tag geführt. Ursprünglich hatte die Versammlung am Sonntag enden sollen.

Schon vor der Dschirga hatten sich alle Entscheidungsträger um eine Antwort auf die Frage nach dem künftigen Staatsmodell gedrückt. Zwei Varianten hatten zur Auswahl gestanden: Trennung von Staat und Kirche wie in der Türkei. Oder Übernahme des iranischen Konstrukts, in dem der religiöse Führer Entscheidungen von Parlament und Präsident per Veto kippen kann.

Zumindest nominell ist die Karsai-Regierung zwar nun eine islamische. So hat es die Dschirga am Freitag beschlossen. Allerdings hatten die Hardliner und Antiwestler um den Milizenchef Abdul Rassul Sayyaf erheblichen Druck ausgeübt. Viele sagen, der anfängliche Optimismus der Teilnehmer sei in tiefes Misstrauen umgeschlagen: Die Delegierten hätten sich nach der umstrittenen Wahl Karsais in zwei Lager gespalten. Das habe sich inzwischen sogar auf die Sitzordnung ausgewirkt: In einer Ecke hocken nun Karsai und dessen Riege. In der anderen Ecke hat sich die Opposition postiert.

Ursprünglich war die Wahl der Interimsminister für Freitag geplant gewesen. Aber nun streiten die rund 1600 Delegierten immer noch um die Modalitäten. Wegen Tumulten sind die Beratungen am Sonntag sogar unterbrochen worden – ein Grund: Streit um den Dialekt, in dem verhandelt wird. Noch ein Grund: Wegen des Zeitdrucks hatte Dschirga-Präsident Ismail Qasimy vorgeschlagen, sich lediglich über Quoten für die Verteilung der Posten auf die Ethnien zu einigen. Davor warnen Beobachter zu Recht: Schon das Hickhack um die Wahl Karsais hat gezeigt, dass die Interessen der Ethnien längst nicht mehr automatisch identisch mit denen der Einflussgruppen sind. Neuer Streit, vielleicht sogar die Wiederaufnahme des Bürgerkrieges droht bei diesem Verfahren, dass zudem durch die Beschlüsse der Bonner Konferenz nicht gedeckt ist.

Das könnte Karsai, dessen Legitimität einige Delegierte ohnehin in Frage stellen, zusätzlich belasten.

Ebenso bedenklich ist Karsais Gegenvorschlag vom Samstag: Seiner Meinung nach sollte die Dschirga eine – ebenfalls von Bonn nicht gedeckte – Milli Dschirga wählen, ein aus 111 Mitgliedern bestehendes Übergangsparlament. Das solle die Mehrzahl der Minister ernennen. Für die Loya Dschirga bliebe dann lediglich die Wahl des Präsidenten des Gerichts, des Generalstaatsanwalts und der Chefs der Schlüsselressorts. Letzteres allerdings will Karsai allein übernehmen. Natürlich provoziert dieser Vorschlag weiteren Ärger, vor allem mit den bisherigen Inhabern dieser Ressorts, den Tadschiken der ehemaligen Nordallianz. Die haben bisher kaum Bereitschaft gezeigt, auf Pfründe zu verzichten.

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