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Umweltaktivist Roman Dolgov 2013 im Gericht im russischen Murmansk nach einer Protestaktion von Greenpeace.

© imago stock&people

Von Sachsen nach Schweden : Deutschland schiebt russischen Oppositionellen ab

Als Russland die Ukraine überfällt, flieht der russische Umweltaktivist Roman Dolgov zu seiner Familie ins Erzgebirge. Von dort wurde er nun abgeschoben. Unterstützer fordern seine Rückkehr.

Der bekannte russische Friedens- und Umweltaktivist Roman Dolgov ist am vergangenen Donnerstag von Sachsen nach Schweden abgeschoben worden. Zum Verhängnis wurde ihm offenbar, dass er sich in Deutschland aufhielt, obwohl er im Besitz eines schwedischen Visums war. Zuerst hatten die „taz“ und die „Freie Presse“ aus Chemnitz über den Fall berichtet.

Demnach sei Dolgov kurz nach Mitternacht in seiner neuen Wahlheimat in Schwarzenberg im Erzgebirge von Polizisten abgeholt worden, die ihm lediglich 15 Minuten Zeit zum Packen einräumten. Daraufhin brachten die Beamten den 53-Jährigen laut der „Freien Presse“ in eine Zelle nach Aue, um ihn anschließend in ein Flugzeug vom Berliner Airport BER nach Stockholm zu setzen.

Dolgovs Partnerin und ihr gemeinsamer 17-jähriger Sohn leben seit mehr als fünf Jahren in Schwarzenberg. Regelmäßig war der Aktivist zwischen Moskau und dem Erzgebirge hin und her gependelt. Als der russische Präsident Wladimir Putin den Befehl zum Einmarsch in die Ukraine gab, änderte sich die Situation. Dolgov wollte Moskau so schnell wie möglich verlassen, auch wegen einer drohenden Mobilmachung des Militärs.

Seine Flucht aus Russland

Doch die Deutsche Botschaft in Moskau stellte Dolgov ein benötigtes Schengen-Visum nicht vor Juli in Aussicht, berichtet der 53-Jährige in der „Freien Presse“. Also wendet er sich an weitere Botschaften und bekommt das Visum schließlich von der schwedischen Vertretung ausgestellt.

Im April vergangenen Jahres fliegt der Aktivist über Istanbul nach Berlin und betritt dort zum ersten Mal nach dem russischen Überfall auf die Ukraine den Boden der Europäischen Union. Im Erzgebirge durchläuft Dolgov formal das Asylverfahren, zieht sogar zunächst in eine Erstaufnahmeeinrichtung nach Chemnitz und führt die routinemäßigen Gespräche mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Diesem berichtet er offenbar auch über seine Familie im Erzgebirge.

Dennoch wird Dolgov am vergangenen Donnerstag abgeschoben und mit einer Wiedereinreisesperre von 22 Monaten belegt. Der Grund: Obwohl der Umweltaktivist direkt nach Deutschland flog, gilt die EU-Verordnung „Dublin III“ auch für ausgestellte Visa. Demnach ist Schweden für Dolgovs Asylverfahren zuständig, trotz Partnerin und Kind in Schwarzenberg.

Dolgov war an Greenpeace-Aktion beteiligt

Der 53-Jährige war 2013 unter anderem bei einer Protestaktion von Greenpeace beteiligt, die den benötigten Schutz des Ökosystems der Arktis thematisierte. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB beschlagnahmte das Schiff der Umweltaktion, schleppte es in den Hafen von Murmansk und klagte die beteiligten Aktivisten wegen angeblicher Piraterie an. Bilder von Dolgov, eingesperrt in einem Metallkäfig in einem russischen Gerichtssaal, gingen um die Welt.

Im Erzgebirge gilt der Aktivist seit seiner Ankunft vor einem Jahr als perfekt integriert. In einem Gymnasium unterrichtete er ukrainische Kriegsflüchtlinge in Englisch. Seine Schule in Schneeberg hatte sich bereits im November für ein langfristiges Bleiberecht von Dolgov eingesetzt.

Schockiert über seine Abschiebung zeigt sich auch der sächsische SPD-Abgeordnete Frank Richter, der in einem Statement seine Wiedereinreise fordert.

Die NGO „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs“ (IPPNW), für die Dolgov aktiv war, zeigte sich ebenfalls bestürzt: „Das BAMF hat hier massiv gegen die Möglichkeit des Selbsteintritts im Asylverfahren aus humanitären Gründen verstoßen – damit soll normalerweise unzulässige Härte für die Betroffenen, wie etwa Familientrennungen, vermieden werden. Das BAMF muss Herrn Dolgov deshalb die Rückkehr nach Deutschland gestatten“, heißt es in einem offenen Brief.

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