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Plenarwoche im Landtag Brandenburg: Haushaltsberatungen, Kompromisse, Konflikte

Die rot-rote Koalition stockt die Ausgaben für Polizei, Soziales, Bildung und Investitionen weiter auf. Brandenburg kann pro Jahr 1,4 Milliarden Euro mehr ausgeben als noch 2009. Trotzdem gibt es Verlierer.

Potsdam - Brandenburgs rot-rote Koalition im Landtag stellt die Weichen für den Doppelhaushalt für 2017 und 2018, mit dem pro Jahr 11,4 Milliarden Euro ausgegeben werden sollen – so viel wie noch nie in der Geschichte des Landes seit 1990. Nun bessern die Fraktionen von SPD und Linke den Etat-Entwurf der Regierung noch einmal kräftig nach, mit Umschichtungen und Zusatzausgaben in einem Gesamtumfang von 200 Millionen Euro. Nach dem im September verabschiedeten rot-roten Kitapaket über 31 Millionen Euro beschlossen SPD und Linke am Dienstag höhere Ausgaben für Schulen, Soziales, zusätzliche Stellen für Polizei, Sozialgerichte und Steuerfahnder sowie für den Stopp des Personalabbaus beim Verfassungsschutz. Es seien die umfangreichsten Änderungen an einem Etatentwurf der Regierung in der Parlamentsgeschichte, sagte SPD-Fraktionschef Mike Bischoff. Die Fraktionen mussten dabei – neben politischen Schwerpunkten – auch nachträglich Hausaufgaben der Regierung erledigen, was SPD und Linke aber nicht kritisieren wollten. Die PNN geben einen Überblick darüber, wie Brandenburgs Geld in den kommenden Jahren ausgegeben werden soll.

Haushaltslage

Finanziell geht es Brandenburg so gut wie nie zuvor. Keine Regierung, kein Parlament konnte seit 1990 so viel Geld ausgeben wie die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte rot-rote Regierung. Für 2017 und 2018 sind jeweils Ausgaben von rund 11,4 Milliarden Euro geplant, ohne dass Schulden aufgenommen werden. Zum Vergleich: Als 2009 die erste rot-rote Regierung gebildet wurde, gab Brandenburg 10,2 Milliarden Euro aus – mehr als eine Milliarde Euro weniger – und nahm dabei noch 312 Millionen Euro Schulden auf. Und 1999, zum Start der dann zehn Jahre regierenden SPD-CDU-Koalition, hatte Brandenburg Ausgaben von 9,9 Milliarden Euro – inklusive 666 Millionen Euro Krediten. Heute hat Brandenburg stattdessen sogar eine Rücklage von 1 Milliarde Euro, Kredite sind nicht nötig. Der Zuwachs resultiert aus den Steuern der Brandenburger Bevölkerung und von Firmen: Die Steuereinnahmen von 4,7 Milliarden Euro (1999) oder 4,9 Milliarden Euro (2009) explodierten inzwischen geradezu auf 6,6 Milliarden Euro im vergangen Jahr. 2016 sind 7 Milliarden angepeilt, im Etatentwurf sind 7,4 Milliarden Euro für 2017 und 7,7 Milliarden Euro für 2018 vorgesehen. Das macht Ausgaben möglich, die noch vor kurzer Zeit nicht denkbar waren – bezahlt vor allem aus der Rücklage.

Sicherheit und Justiz

Mit Änderungsanträgen, die Rot-Rot am Dienstag auf den Weg brachte, wird bei der Inneren Sicherheit noch einmal nachgebessert – mit 25 zusätzlichen Stellen bei der Polizei 2017 und weiteren 50 Stellen 2018. Brandenburgs Polizei, die die frühere SPD-CDU-Regierung mit der vermurksten und gestoppten Polizeireform auf 7000 Stellen schrumpfen wollte, wird nun 8250 Beamte als Soll-Stärke haben. Der Verfassungsschutz mit seinen noch knapp 100 Stellen bleibt in seiner jetzigen Stärke: Der bereits besiegelte Abbau von zehn sogenannten KW-Stellen, die nicht neu besetzt werden sollten, wird gestoppt. Die Justiz erhält drei zusätzliche Stellen für die – anders als etwa die Verwaltungsgerichte – tatsächlich überlasteten Sozialgerichte, für fünf Gerichtsvollzieher und 33 Stellen im Strafvollzug.

Bildung/Kitas/Soziales

Für diesen Bereich trifft besonders zu, was Fraktionschef Mike Bischoff (SPD) so ausdrückte: „Wir sind mit dem Entwurf der Regierung nicht unzufrieden gewesen, geben aber noch mal Gas.“ Im September hatte die Koalition bereits Zusatzausgaben über 31 Millionen Euro für 2017 und 2018 beschlossen, um Kitas besser auszustatten, etwa für Leitungsaufgaben, Einrichtungen in sozialen Brennpunkten und den Einstieg in niedrigere Elternbeiträge. Mit den neuen Beschlüssen kommt nun eine ganze Liste hinzu: Mehr Geld gibt es unter anderem für den Landesjugendplan, für freie Theater, die Gedenkstättenstiftung, die mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und das Programm Tolerantes Brandenburg und für Behandlungsstätten für Suchtkranke.

Investitionen/Wirtschaft/Altlasten

In diesem Paket holen die Parlamentsfraktionen das nach, was die Regierung selbst hätte leisten müssen und können. So sollen bis 2020 insgesamt 75 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, damit der immer noch schleppende, schon vor Jahren versprochene Breitbandausbau im Land endlich vorankommt. Für 9 Millionen Euro sollen Busse und Straßenbahnen behindertengerecht nachgerüstet werden können. Der Denkmalfonds bekommt 500 000 Euro mehr, die Filmförderung über das Medienboard 300 000 Euro, allerdings erst 2018. Das Umweltministerium bekommt acht zusätzliche Spezialisten für Genehmigungsverfahren, das Finanzministerium zehn neue Steuerfahnder. Um das Altanschließerproblem um zu Unrecht kassierte Anschlussbeiträge für die Kanalisation wenigstens etwas zu entschärfen, sind insgesamt 50 Millionen Euro vorgesehen.

Die Kritik – die Verlierer

Trotz Rekordeinnahmen und -ausgaben ist bislang kein Cent für die Tilgung der seit 1990 aufgenommen rund 18 Milliarden Euro Schulden vorgesehen. CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben kritisierte die rot-rote Haushaltspolitik deshalb scharf: „Es ist immer einfacher, Geld auszugeben, als Geld zu sparen. Es ist immer leicht, Geschenke zu machen.“ Brandenburg müsse die gute Haushaltslage zur Schuldentilgung nutzen. „Viele Baustellen bleiben offen“, kritisierte auch grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Vieles – „ob Schulsozialarbeit, Kitaqualität, Tierschutz oder Sanierung illegaler Müllkippen, um nur einige Beispiele zu nennen“, – gehe Rot-Rot „immer noch nur halbherzig oder gar nicht an“. Und auch für bessere Arbeitsbedingungen, Eingruppierungen und Entlastungen für 26 000 Lehrer und Polizisten im Land ist in der rot-roten 200-Millionen-Euro-Liste nichts vorgesehen, während etwa Sachsen dafür gerade ein 213-Millionen–Programm auf den Weg brachte. Mit einer Großdemonstration am heutigen Mittwoch in Potsdam, die vom Luisenplatz zur Abschlusskundgebung vor dem dann noch tagenden Landtag führt, wollen die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ihren Forderungen Nachdruck verleihen. Erwartet werden 7000 bis 8000 Lehrer und Polizisten. Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers sprach sich für eine Neuaufnahme von Verhandlungen aus.

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