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Laut Urteil des Amtsgerichts Schwedt hat der angeklagte Polizist bei einem Einsatz bewusst seine Pflicht nicht erfüllt.

© dpa

Schwedt (Uckermark): „Heil Hitler“-Rufe: Polizist hörte weg

Ein Polizist aus Schwedt wird vom Gericht verwarnt, weil er bei einem Einsatz nicht seine Pflicht tat und offenbar junge Neonazis schützte. Auch wenn der 46-Jährige schon bei Neonazi-Aufmärschen mitmarschierte: Laut Urteil ist er kein Rechtsextremer. Jetzt geht die Staatsanwaltschaft in Berufung.

Schwedt - Er findet bis heute nichts dabei, dass er gemeinsam mit Neonazis aus ganz Deutschland beim „Heldengedenken“ in Halbe mitmarschierte. Es sei ja eine vom Gericht genehmigte Demonstration gewesen, „zu Ehren der gefallenen Soldaten“, so sagte es der Angeklagte Sven G., 46 Jahre, Polizeibeamter Brandenburgs, am Donnerstag im Saal 105 des Amtsgerichtes in Schwedt.

Die Organisatoren habe er nicht gekannt. „Aber es war angemeldet, zu Ehren der Soldaten. Da dachte ich, da kann jeder hin.“ Das alles geschah 2006. Da war er noch Ermittler gegen Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt.

Gericht geht nicht von einer rechtsextremen Haltung aus

Zehn Jahre danach sitzt G., der damals wegen Schädigung des Ansehens der Polizei einen Verweis erhalten hatte und in die Uckermark versetzt worden war, sogar auf der Anklagebank. Und wieder ging es um braune Bezüge. Das Amtsgericht verurteilte G. wegen „versuchter Strafvereitelung im Amt“ – just bei einem Einsatz wegen eines rechtsextremen Deliktes. Das Strafmaß fiel milde aus, weil das Gericht von einem „minder schweren Fall“ ausging, und keiner rechtsextremen Haltung. Er wurde „verwarnt“, verurteilt zu einer Geldstrafe von 1400 Euro auf Bewährung. Und er muss eine Geldbuße von 700 Euro an einen Verein in der Uckermark zahlen.

Amtsrichterin Heidrun Müller sah es nach vierstündiger, straffer Verhandlung und der Anhörung mehrerer Zeugen als erwiesen an, dass G. an jenem 25. Oktober 2014 als Chef einer Funkstreife bei einem Einsatz bewusst nicht seine Pflicht tat. Es war ein Bürgerhinweis eingegangen, kurz vor 18 Uhr, dass vor einer Sporthalle in Schwedt junge Leute rechte Parolen grölten, unter anderem „Heil Hitler“. G. fuhr mit einem Kollegen zum Einsatzort, wo Mitglieder eines Fußballvereins beim Bier ihren dritten Platz bei einem Turnier feierten. Und dann? Eine kurze Erkundigung, eine Ruhe-Ermahnung, das war’s. Die Streife fuhr wieder los, nahm nicht einmal die Personalien auf. G. hatte den Fall von Beginn an vor allem als „ruhestörenden Lärm“ abgebucht. Als ihm der Einsatz in der Wache verlesen wurde, will er von „Heil Hitler“ nichts mitbekommen haben, was Zeugenaussagen widerlegten.

Staatsanwalt: Polizist nahm an Neonazi-Aufmärschen teil

Es habe „kein Ermessen“ gegeben, die Aufnahme der Personalien sei das simpelste Handwerk, sagte Staatsanwalt Torsten Lowitsch. Zudem habe gerade in Brandenburg die Bekämpfung solcher Delikte einen hohen Stellenwert. Im Plädoyer sah Lowitsch einen „schweren Fall“, und forderte eine einjährige Haftstrafe für G., ausgesetzt zur Bewährung. Ausdrücklich zog er einen Bogen zur früheren Teilnahme des Polizeibeamten an Neonazi- Aufmärschen in Halbe und Seelow, wo G. bis heute gegen den damaligen Verweis prozessiert. Zwar ist der nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg rechtskräftig. Doch in Abstimmung mit G. hat sein Anwalt vor einem Jahr Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, um doch noch eine Revisionsmöglichkeit durchzusetzen. „Die innere Einstellung hat der Angeklagte ganz offensichtlich nicht abgelegt“, sagte Lowitsch. Seine Aussagen in der Verhandlung seien ein „Rahmengeständnis“. Dem folgte das Gericht jedoch nicht.

Verteidiger Bernhard von Elling von der Kanzlei Diestel hatte auf Freispruch plädiert. Zudem sei G. durch das Verfahren, das ihm den Ruf des „Neonazis vom Amt“ einbrachte, genug gestraft. So wollen nun beide Seiten prüfen, ob sie Rechtsmittel einlegen, wofür das Gericht eine Woche Zeit gab. Will G., der mit Bezügen von 1400 Euro, gekürzt um 1000 Euro, zu Hause sitzt, in die Polizei zurück? „Dazu möchte ich keine Angaben machen.“

  

Schwedt (Oder) - Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat nach einem Urteil gegen einen 45 Jahre alten Streifenpolizisten Berufung eingelegt. Das erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt Wilfrid Lehmann am Freitag. Das Amtsgericht Schwedt (Uckermark) hatte den Beamten am Donnerstag wegen versuchter Strafverteilung im Amt zu einer Verwarnung und einer Geldauflage von 700 Euro verurteilt.

Der Polizist habe laut Anklage versucht, einen Vorfall in Schwedt zu vertuschen, bei dem Jugendliche mit rechtsextremen Sprüchen aufgefallen waren. Der 45-Jährige habe nach einer Anzeige von Anwohnern zwar einen Platzverweis ausgesprochen, es jedoch unterlassen, die Daten der jungen Männer aufzunehmen.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Polizisten eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung gefordert. Georg-Stefan Russew (dpa)

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