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Ein Mann trägt eine Kippa in der Synagoge.

© AFP/INA FASSBENDER

Update

Jüdische Gemeinde in Angst: Experten fordern auf Antisemitismus-Konferenz in Potsdam Solidarität der Bürger

Die Eskalation des Nahost-Konflikts hat auch für die jüdischen Gemeinden in Ostdeutschland die Sicherheitslage verschärft. Antisemitismus-Experten nehmen die Zivilgesellschaft in die Pflicht.

Von Klaus Peters

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Nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen auf Israel hat sich auch für die Jüdische Gemeinde in Potsdam das Leben grundlegend verändert. „Viele Gemeindemitglieder haben Angst, dass irgendetwas passieren kann“, berichtete der Vorsitzende Jewgeni Kutikov am Montag auf einem Fachkongress zum Antisemitismus in Potsdam. „Jetzt haben wir Angst davor, dass wir von einem antisemitischen Mörder angegriffen werden könnten.“ Der Vorstand habe die Sicherheitsvorkehrungen für die Gemeinderäume massiv erhöht und stehe im ständigen Kontakt mit der Polizei, sagte Kutikov. „Wir wünschen uns mehr Sicherheit, aber wir sind einigermaßen geschützt.“

Gianna Marcuk vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Rostock berichtete von ähnlichen Erfahrungen. „Ich bin in der ehemaligen Sowjetunion aufgewachsen und war mein Leben lang mit Antisemitismus konfrontiert“, sagte sie. „In Deutschland konnte ich erstmals stolz auf mein Judentum sein - und jetzt soll ich mich wieder verstecken?“ Die Rostocker Gemeinde wolle das auf keinen Fall, betonte sie: „Wir sind als Aktivisten gegen Antisemitismus in der Stadt bekannt und wir machen weiter!“ Dabei erfahre ihre Gemeinde von den christlichen Kirchen große Unterstützung.

Der Philosoph Joel Ben-Yehoshua von der Universität Jena berichtete, dass er aus Sicherheitsgründen inzwischen kein Namensschild mehr an seinem Dienstzimmer habe. Er beklagte mangelnde Solidarität aus politisch linken Kreisen. „In bin viel in der links-alternativen Szene unterwegs und das Schweigen ist in dieser Szene sehr spürbar“, kritisierte der Wissenschaftler.

Eine mörderische Dimension

Auf der Konferenz riefen Referenten die Zivilgesellschaft zum Widerstand auf. „Der Kampf gegen den Antisemitismus darf nicht Aufgabe der Jüdinnen und Juden sein“, mahnte der Antisemitismus-Experte Dervis Hizarci. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 habe die mörderische Dimension des Antisemitismus erneut vor Augen geführt, betonte er. Dagegen müsse sich die ganze Gesellschaft wenden.

Auch bei Corona-Demonstrationen, bei denen Teilnehmer Judensterne trugen, hätten sich starke antisemitische Tendenzen gezeigt, erklärte Hizarci. Und seit dem Terrorüberfall der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober, gebe es israelfeindliche Demonstrationen in aller Öffentlichkeit.

„Seit dem 7. Oktober tobt sich auf deutschen Straßen ein geballter Israel-Hass aus“, beklagte auch Olaf Glöckner vom Moses Mendelssohn Zentrum der Universität Potsdam. Daher zögen sich viele Juden aus der Öffentlichkeit zurück und lebten nur noch in ihren geschlossenen Gemeinschaften. Der Antisemitismus mische sich oft auch mit Ausländerfeindlichkeit, sagte Glöckner. Seit den 90er Jahren seien viele Juden aus Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion eingewandert, die oft nur schlecht Deutsch sprächen. „Und sie erleben häufig schon Anfeindungen, wenn sie sich etwa an der Haltestelle auf Russisch unterhalten“, berichtete Glöckner.

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