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Brandenburg-Debatte: Stolpe beklagt "Form öffentlicher Hinrichtung"

Reaktion auf Gastbeitrag von Michael Wolffsohn: Ex-Regierungschef bemängelt Umgang mit seiner Person und wirft dem Historiker vor, seinen Glauben in Zweifel gezogen zu haben. Stolpe:"Das verletzt mich."

Potsdam - Brandenburgs ehemaliger Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) hat in der Debatte um seine Nachwende-Politik den Umgang mit seiner Person in den letzten 20 Jahren indirekt als eine "Form"  "öffentlicher schmachvoller Hinrichtung" bezeichnet. Stolpe reagierte gegenüber den Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) auf einen Gastbeitrag des Münchener Historikers und Professors für Neuere Geschichte, Michael Wolffsohn, in den PNN. Stolpe warf Wolffsohn nun indirekt vor, dieser habe in seinem Beitrag "Der Bund der Vergessenden" Stolpes christlichen Glauben in Zweifel gezogen.

Wolffsohn hatte in dem PNN-Beitrag unter anderem die These aufgestellt, nicht Personen wie Stolpe würden im historischen Blick bestehen und überleben, sondern Menschenrechtler wie etwa Bärbel Bohley.

Stolpe schreibt nun an die PNN: „Michael Wolffsohn fragt in seinem welthistorischen Blick auf den Brandenburger Weg, ob ich mich für meinen Glauben kreuzigen lasse. Das verletzt mich. Kreuzigen ist hierzulande nicht möglich", so Stolpe. Unter direktem Bezug auf die Kreuzigungsfrage schreibt er weiter: "Es sei denn, man versteht jahrzehntelange Verleumdungen und Beleidigungen als moderne Form öffentlicher schmachvoller Hinrichtung."

Wolffsohn hatte in "Der Bund der Vergessenden" über Stolpes Nachwendepolitk und über historisch mit der politischen Wende in der DDR vergleichbare Umbrüche die These aufgestellt, dass die Eliten-Kontinuität nach politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen zwar normal sei, dass alte Kader und Mitläufer von einst auch in neuen Systemen funktionierten, diesen gar dienen können; dass sich aber historisch niemand an diese Mitläufer erinnern wird: "Wer bleibt, was bleibt? Nicht die Mitmacher und Mitläufer, Anpasser und Angeber, nicht die Bestfunktionierenden und erst recht nicht die chuzpedicken, scheinheiligen Moralisierer, sondern die aufrechten und aufrichtigen Moralisten, deren Wort ihre Tat ist. Stets waren, sind und bleiben sie in der Minderheit, doch ohne ihr Licht gäbe es nur das Dunkel des angepasst mehrheitlich hingenommenen Unrechts und der Unmoral, hätten die Stolpes dieser Welt sogar ein gutes Gewissen und fühlten nicht einmal den Zwang, sich zu rechtfertigen." Dann fragt Wolffsohn: "Nach der weltlichen Geschichte sei der Kirchenmann Stolpe abschließend in die christliche versetzt, in die Zeit von Jesus: Hätte sich Stolpe für seinen Glauben kreuzigen lassen? Es gab bekanntlich nur einen Jesus und nicht viele, aber immer wieder doch einige Widerstandskämpfer. Jenen Jesus, den gekreuzigten Verlierer, können auch Nicht-Christen als Moralisten nicht übersehen, und nach der NS-Diktatur gelten zu Recht die hingerichteten Widerstandskämpfer als ethische Instanz, Vorbilder, nicht die Täter und Mittäter. In ihren Werten orientiert sich Menschheit doch an den politischen Verlierern, die letztlich moralische Sieger sind."

Darauf entgegnet nun Stolpe: "Vieles kann ich ertragen, aber meinen Glauben hat noch niemand infrage gestellt. Selbst in der DDR-Diktatur wurde meine christliche Bindung nur selten als unnormal und dumm bezeichnet. Ich weiß nicht, welchen Glauben Professor Wolffsohn bei mir erwartet. Mein christlicher Glaube will Friedfertigkeit und Gewaltvermeidung, Dialog statt Konfrontation, Aussöhnung statt Rache, Achtung der Menschenwürde und Respekt vor anderen Meinungen, Gerechtigkeit für die Menschen und die Natur. Dafür stehe ich und hoffe, dass mich niemand und nichts zwingen kann darin nachzulassen." pnn

DEN BRIEF MANFRED STOLPES FINDEN SIE IM WORTLAUT IN DER DIENSTAGSAUSGABE DER POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN

ALLE GASTBEITRÄGE ZUM THEMA FINDEN SIE UNTER pnn.de/debatte

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