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Brandenburg: Vororte brauchen Charakter

Gemeindebund-Chef Böttcher zum Speckgürtel

Herr Böttcher, der Speckgürtel wird immer fetter, aber an einigen Stellen wächst er noch schneller als an anderen.

Man kann durchaus sagen, dass es da Unterschiede gibt, und das ist auch, um es mit Wowereits Worten zu sagen, gut so. Das ist ja auch in jeder Stadt so.

Was sind die entscheidenden Faktoren dafür, wie sich die Orte im Berliner Umkreis entwickeln?

Die unterschiedliche Entwicklung hängt stark mit der Verkehrsinfrastruktur zusammen, zum Beispiel mit dem Anschluss an das Bahnnetz. Wichtig wird dann auch die vernünftige Wohnumfeldentwicklung: Was gibt es an Spielplätzen? Wie ist das Angebot an Radwegen und die Erreichbarkeit auch von anderen Gemeinden? Auch ein Kulturangebot kann wichtig sein, wobei das aber nicht so ausschlaggebend ist. Für die sogenannten Speckgürtelgemeinden ist es natürlich immer so: Wenn sie eine gute Verkehrsanbindung haben, findet Kultur mehr oder weniger in der Bundeshauptstadt oder auch in Potsdam statt.

Haben die Speckgürtel-Orte denn dann überhaupt ein eigenes Leben? Oder sind es eigentlich, böse gesagt, nur Schlafstädte für Pendler?

Na, Vororte sind es immer gewesen. Das muss man fairerweise zugeben. Aber auch Vororte müssen einen eigenen Charakter haben, ansonsten werden sie auswechselbar und beliebig. Auch eine boomende Stadt wie Teltow würde wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen, ein eigenes Theater zu bauen, weil die vor der Tür vorhanden sind. Aber eigene Anstrengungen sind auch gefordert. Der Bürger will nicht nur in die Bundeshauptstadt oder Landeshauptstadt düsen – ein Grundangebot mit entsprechendem Niveau erwartet er auch vor Ort. Das muss man ausgewogen auf die Reihe kriegen, ohne sich dabei zu überdehnen.

Wenn es immer mehr gut situierte Hauptstädter hinaus in den Berliner Speckgürtel zieht, kommt es dann auch zu Veränderungen der sozialen Struktur in den Gemeinden? Werden Ur-Umlandbewohner verdrängt?

Das kann man sicherlich nicht total ausschließen. Aber jede Stadt, die vernünftig regiert wird, wird von vornherein versuchen, darauf zu achten, dass das eben nicht stattfindet. Wir brauchen nach wie vor in solchen Regionen eine vernünftige Ausgewogenheit und auch eine Beibehaltung von sozialem Wohnungsbau, damit ein angestammter Bürger sich eben nicht wegen überbordender Preise bestimmte Dinge nicht mehr leisten kann. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Aspekt. Das betrifft natürlich auch solche Dinge wie Kindereinrichtungen und öffentliche Schulen. All das muss gegeben sein, damit es tatsächlich nicht auch nur rein ideell zu diesem Verdrängungseffekt kommt.

Die Stadt Teltow ist inzwischen bei 26 000 Einwohnern angelangt, bei 30 000 soll erst einmal Schluss sein. Stößt das Wachstum der Gemeinde irgendwann auch an seine Grenzen?

Richtig. Damit muss man sehr sensibel umgehen, das belegen auch Beispiele aus anderen Gebieten der Bundesrepublik. Zu viel Entwicklung ist genauso schädlich wie gar keine.

Das Interview führte Christina Peters

Karl-Ludwig Böttcher ist Chef des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg, eines freiwilligen Zusammenschlusses der brandenburgischen Städte, Gemeinden und Ämter.

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