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Landeshauptstadt: Bornimer Hanf-Pilotanlage in Betrieb

Naturfasern werden zu Baustoff verarbeitet – als Spanplatten-Konkurrenz / 1,4 Millionen Euro investiert

Bornim – Wohnungstüren und Hartfaserplatten aus Hanf – das sind Produkte einer neuartigen Pilotanlage, die gestern das Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB) in Betrieb nahm. Mit der Pilotanlage zur Verarbeitung von feucht-konservierten Naturfaserpflanzen, vorzugsweise Hanf, wird ein vom ATB gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden entwickeltes Verfahren erstmalig im praxisnahen Maßstab realisiert. Brandenburgs Landwirtschaftsminister Dietmar Woidke (SPD) sprach anlässlich der Inbetriebnahme von einer „Renaissance der Faser“.

Die rund 1,4 Millionen Euro teure Pilotanlage förderte die Europäische Union mit 1,04 Millionen Euro. Der Bund und das Land Brandenburg steuerten jeweils 172 000 Euro bei.

Für den Hanf, der früher in großem Umfang als Rohstoff für Taue und Seile, Textilien und sogar zur Papierherstellung diente, ist damit eine neue Anwendung erschlossen. „Wenn der Bedarf da ist, wird der landwirtschaftliche Anbau wieder steigen“, sieht ATB-Direktor Prof. Reiner Brunsch voraus. Bis das soweit ist, müsse das Verfahren, das auf zwei Patenten beruhe, noch eingehend erprobt werden.

In einer neuen Halle steht die voll automatische Pilotanlage, die pro Stunde 300 Kilogramm Hanf-Silage verarbeitet und in Platten verschiedener Härtegrade – vom weichen Dämmstoff bis zur einbruchssicheren Tür – verwandelt. Entstanden ist das Wunderwerk der Verfahrenstechnik in Jocketa im sächsischen Vogtland. Hier ist die Lehmann Maschinenbau GmbH auf derartige Techniken spezialisiert. Ihr Chef Thilo Lehmann ist überzeugt, dass das Verfahren in die Baustoffherstellung Eingang findet. Dann allerdings mit einer Stundenproduktion von mehreren Tonnen Hanfmaterial. Von der „hohen Schule der Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe“ spricht Lehmann, weil die gesamte Faserpflanze „bis in die Zellstruktur“ aufgeschlossen und ausgenutzt werde.

Den traditionellen Druck auf den roten Startknopf vollzog neben Brunsch, Lehmann und Minister Woidke und Prof. Ryszard Kozlowki, Faserspezialist aus Poznan. Letzterer verkündete, dass die Vereinten Nationen das Jahr 2009 zum „Jahr der Naturfaser“ erklärt hätten, was sogar vielen einschlägigen Fachleuten noch unbekannt war.

Der Vorteil einer Verarbeitung von Hanf liegt auf der Hand, denn es ist ein Kohlendioxid-neutraler Rohstoff. Die „Endlichkeit des Erdöls“, so Woidke, fordere überdies solche Alternativen heraus. Allerdings: Das Endprodukt müsse in Qualität und Preis konkurrenzfähig mit herkömmlichen Spanplatten sein.

Und gerade das scheint noch nicht hinreichend geprüft und durchgerechnet worden zu sein. Ob sich die Investition von insgesamt 1,4 Millionen Euro in die Pilotanlage gelohnt hat, wird sich unterm Strich dieser Rechnung zeigen. Letztlich muss ein Investor seinen Vorteil in der Produktion der Faser- statt Holzplatten sehen, um eine Produktionsanlage mit einem Wert von schätzungsweise zwei Millionen Euro zu errichten. Bisher hat das Verfahren eine Heerschar von Wissenschaftlern vor allem aus Bornim und von der TU Dresden beschäftigt. Kooperativ beteiligt waren ferner die BTU Cottbus, die Magdeburger Hochschule, die Unis in Rostock und Kassel sowie die Humboldt-Universität zu Berlin.

Die Anwendungsgebiete des neuen Baustoffes scheinen enorm vielfältig zu sein und reichen von Plattenwänden und Dämmmaterial insbesondere für ökologisches Bauen über den Automobilbau und Verpackungen bis zum Dünnbeton. Für die Marktentwicklung ist offenbar eine Förderung mit entscheidend. Jürgen Ohlhoff vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sieht in dem Verfahren einen „Beitrag, die natürlichen Faserstoffe wieder in den Markt einzuführen“. Über eine Förderung sprach er nicht. Aus einer Mitteilung des ATB geht sogar hervor, dass das Markteinführungsprogramm „Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen“ mit einem Zuschuss von 40 Euro pro Kubikmeter Fasern trotz der damit bisher erreichten Verdoppelung des Marktanteils zum Jahresende 2006 eingestellt wurde. „Die weitere Marktentwicklung ist ungewiss“, heißt es.

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