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Homepage: Nicht überall ganz klar

Konferenz zu 50 Jahren Menschenrechte

Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Da sind sich die Referenten am Menschenrechtszentrum (MRZ) an der Universität Potsdam einig. Seit 1994 untersucht das Zentrum in Potsdam internationale Menschenrechtsfragen. Ein Symposium hat nun danach gefragt, wie es um die universellen Rechte in Deutschland steht. Denn: Was ein Menschenrecht ist und wie es durchgesetzt wird, das ist gar nicht so klar. Zwei Pakte sollen seit 50 Jahren weltweit gleiche Rechte garantieren: der Zivilrechtspakt und der Sozialrechtspakt. Unterzeichnet im Jahr 1966 bei den Vereinten Nationen und in Kraft getreten zehn Jahre später, definieren die Pakte, welche Rechte niemals verletzt werden sollen.

Die große Mehrheit der weltweiten Staatengemeinschaft bekennt sich zu den Rechten. Aber es gibt Ausnahmen: China hat den Pakt über die bürgerlichen Rechte unterzeichnet, aber nicht in wirksames nationales Recht umgesetzt. Amerika bekennt sich zwar zu den zivilen Menschenrechten, nicht aber zum Sozialpakt. Saudi Arabien und der Sudan akzeptieren weder die zivilen noch die sozialen Menschenrechte des Paktes. Auch in Deutschland ist nicht alles selbstverständlich garantiert, für das sich die Vereinten Nationen in ihren Vereinbarungen einsetzen. „Das Grundgesetz garantiert Grundrechte und die sind auch zu weiten Teilen deckungsgleich mit den Rechten der Pakte. Aber es gibt Differenzen“, stellt Norman Weiß, Wissenschaftler vom Menschenrechtszentrum, fest.

Im Fokus des Symposiums steht das Recht auf Bildung. Insbesondere die Eingliederung von behinderten Menschen in den alltäglichen Schulunterricht hinterfragen die Wissenschaftler. Während Schulverwaltungen unter dem Stichwort Inklusion gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Menschen organisieren, zeigen sich im Detail Problemlagen, die an Menschenrechtsfragen heranreichen können. Auch die Tatsache, dass die soziale Herkunft in Deutschland immer noch maßgeblich über den Zugang zu Bildung und beruflichen Möglichkeiten entscheidet, rührt an den Bereich der universellen Menschenrechte.

Bei der Unterzeichnung der Pakte gingen die Politiker davon aus, dass es kaum Unterschiede zwischen der Rechtsrealität der Bundesrepublik und den dort garantierten Freiheiten des Individuums geben würde. Dann aber stellte sich heraus, dass die Wirklichkeit vielschichtiger ist, als die Väter des Grundgesetzes dachten. 1995 deklarierte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die niedersächsische Verwaltungspraxis, Assessoren nicht als Lehrer einzustellen, wenn sie der DKP (Deutsche Kommunistische Partei) angehörten, menschenrechtswidrig sei. Das faktische Berufsverbot verstoße gegen den Menschenrechtspakt.

Wie aber gelangen die auf internationaler Ebene garantierten Menschenrechte in das nationale Recht? Nicht erst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden die Pakte relevant, betont Weiß. Sie gelten in Deutschland unmittelbar im Rang des Bundesrechts und können daher auch von den Gerichten direkt angewandt werden. „Das geschieht allerdings nur sehr selten“, so Weiß. In der Rechtspraxis hätten sich die Menschenrechte noch nicht etabliert. Überhaupt sei der Gedanke eines völkerverbindenden Grundstocks an Rechten, die supranational auch unabhängig von den jeweiligen Verfassungen gelten, ein relativ neues juristisches Konstrukt. Während früher der jeweilige Staat die Rechte und Pflichten seiner Bürger deklinierte, einigte man sich nach dem Zweiten Weltkrieg darauf, den verlorenen Krieg juristisch aufzuarbeiten. Nicht die faktische Macht der Siegerstaaten sollte das weitere Schicksal des am Boden liegenden Nazideutschlands bestimmen, sondern ein Recht, das auch unabhängig von vorhergehender Kodifizierung und den einzelnen Verfassungen der am Krieg beteiligten Staaten galt. Der Grundstein für die Menschenrechtspakte war gelegt. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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