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Homepage: Vom fließenden Rauschen Medienwissenschaft und moderne Fernsehbilder

Was ist unter einer Ästhetik des Fernsehens zu verstehen? Bei einem Vortrag im Einstein Forum präsentierte Oliver Fahle, Juniorprofessor für Geschichte und Theorie der Medien an der Bauhaus-Universität Weimar, jüngst dazu neue Erkenntnisse.

Was ist unter einer Ästhetik des Fernsehens zu verstehen? Bei einem Vortrag im Einstein Forum präsentierte Oliver Fahle, Juniorprofessor für Geschichte und Theorie der Medien an der Bauhaus-Universität Weimar, jüngst dazu neue Erkenntnisse. Sein „Entwurf einer Ästhetik des Fernsehens“ sprach von „dynamischen Störungsverhältnissen zwischen Bild und Gegenstand“ und gelangte zu Aussagen wie „das Sichtbare (im Fernsehen) ist eigentlich das Unsichtbare“.

Thesen wie diese erfüllen möglicherweise ihren Zweck innerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses. Zugleich zeigen sie aber die immense Distanz der Wissenschaft, in diesem Fall der Medienwissenschaft, zur konkreten Realität des Fernsehens in der Gesellschaft. Bei Oliver Fahles Projekt einer ästhetischen Fernsehtheorie stellt sich auch die Frage, ob damit nicht zugleich die Ästhetisierung eines Massenmediums angestrebt wird. Doch scheint klar zu sein, dass die alten Kategorien von Schönheit und Harmonie hier keinen Erkenntnisgewinn bringen können. Vielleicht aus diesem Grund hat sich die philosophisch-ästhetische Reflexion bisher stets zurückgehalten, wenn es um das Medium Fernsehen gegangen ist.

Sowohl in der Antike als auch im aufklärerischen Idealismus war Schönheit mit Wahrheit und Qualität verbunden und verfolgte pädagogische und humanistische Zwecke, wie man bei Platon, Aristoteles oder Gottfried Ephraim Lessing und Friedrich Schiller nachlesen kann. Deren philosophische Diskurse mündeten in der Einführung von „Ästhetik“ als eigenständiger Disziplin. Heute, über zweihundert Jahre später, ist die sinnige Dreieinigkeit von schön, wahr, gut keineswegs mehr selbstverständlich. Die aktuelle ästhetische Reflektion steht unter völlig veränderten Prämissen. Ästhetik behandelt keineswegs mehr Konzepte von Schönheit – die finden sich eher in der Werbung oder in der Mode – sondern meint zumeist eine Theorie der sinnlichen Wahrnehmung.

In diesem Sinne beginnt Oliver Fahle mit vier aktuellen Bildtheorien, die das moderne Fernsehen unterschiedlich definieren, beispielsweise als Nullmedium (H. M. Enzensberger), als fließendes Rauschen, als Übertragungsmedium zur Speicherung von visuellen Sinnesdaten, als Selektionsmedium mittels Fernbedienung sowie als Überwachungsmedium im Sinne von permanentem „monitoring“ (S. Cavell). Festgestellt wird, dass die Organisationsformen des ästhetischen beziehungsweise sinnlichen Materials nur mehr von den technischen Anordnungen geprägt werden, die mit der Zeit enorm gewachsen sind.

Seit den 80-er Jahren, die als Phase des „Neo-Fernsehens“ beschrieben werden, bemerkt man dabei zum Beispiel eine zunehmende Fragmentarisierung in Form von Einschüben und Unterbrechungen. Das führt zu einer Auflösung von „semantischen Ketten“, von spezifischen, Bedeutungen produzierenden Bildern in narrativen Zusammenhängen. Im Fernsehen der Zukunft, postuliert Fahle, sei nicht mehr das Subjekt der Protagonist, sondern das Bild. Man könnte also durchaus, doch soweit geht Fahle explizit nicht, von einer Enthumanisierung des Fernsehmediums sprechen. An die Stelle der klassischen Repräsentationsästhetik, zum Beispiel in einem Gemälde mit Zentralperspektive, tritt im TV-Bild Variabilität und Beliebigkeit.

Dabei entsteht ein „dynamisches Störverhältnis zwischen Bild und Gegenstand“. Erst hier, in diesem Konzept, kann man so etwas wie eine virulente Reminiszenz an die klassische Ästhetik entdecken mit ihrer sorgsamen Fügung von Form und Inhalt, von Schönheit, Wahrheit und Qualität. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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