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Kultur: Anregungen aus der Alhambra

Potsdam verdankt Carl von Diebitsch das Maurische Kabinett auf dem Pfingstberg

Das Maurische Kabinett im Belvedere auf dem Pfingstberg ist einer der schönsten Innenräume, die Potsdam besitzt. Während der Restaurierung wurde auch dieses Kleinod wiederhergestellt. Aus dem Schutt geborgene oder von Potsdamern zurückgegebene Originalfliesen, deren Ornamentik den Einfluss der Alhambra in Granada verrät, wurden um neu gebrannte ergänzt.

Wem Potsdam diesen unvergleichlichen Raum verdankt, der inzwischen zu einer beliebten Stätte für Trauungen geworden ist, bleibt jedoch in Stadtführern und in den Schriften des Pfingstberg-Fördervereins unerwähnt. Es war der zu Unrecht vergessene Architekt Carl von Diebitsch, der 1848 für ein halbes Jahr in der Alhambra geforscht und unter anderem die Ornamentik zeichnerisch erfasst hatte. Ihm widmete die URANIA im „Jahr der Architektur“ das erste ihrer „Lindstedter Begegnungen – Gespräche über Preußen“. Dafür hatte sie die Potsdamer Fachschulprofessorin Dr. Martina Arbri gewonnen.

So schön das Maurische Kabinett auch ist, für Diebitsch war es einer jener Aufträge, die ihn ungewollt auf die Innenraumgestaltung im orientalischen Stil festlegten. Und er wollte doch Schlösser und Villen bauen! Doch dafür erhielt er kaum Aufträge. Finanziell war das für den Spross eines reichen niederschlesischen Adelsgeschlechts allerdings kein Problem. Dessen Mitglieder taten sich vor allem als Kriegshelden hervor. So wurde auch der am 13. Januar 1819 in Liegnitz geborene junge Carl von Diebitsch nach Potsdam auf die Kadettenanstalt geschickt. Doch beim Militär konnte er nicht glücklich werden und quittierte nach dem Tod seines Vaters wegen eines angeblichen Gehörleidens 1839 den Dienst. Bis 1842 studierte er an der Berliner Bauakademie. Danach begab er sich auf ausgedehnte Reisen bis nach Algier und Spanien, um die orientalische Kultur und Architektur kennen zu lernen.

Damit lag Diebitsch im Trend, denn die geheimnisvolle Welt des Orients faszinierte damals Europa, wofür es von Goethes „West-östlichem Diwan“ bis zu der von Persius entworfenen „Moschee“ in Potsdam, an der auch Diebitsch beteiligt war, ungezählte Beispiele gibt. Die Aufträge für den Architekten blieben dennoch spärlich. Er durfte in das vom preußischen Prinzen Albrecht, einem Bruder Friedrich Wilhelms IV., übernommene Schloss Albrechtsberg in Dresden ein „Türkisches Bad“ einfügen und für den Neuruppiner Kaufmann Johann Christian Gentz am Tempelgarten eine Villa bauen, die heute als Café genutzt wird.

Unermüdlich beteiligte sich der Architekt an Wettbewerben, so 1853 für die Berliner Börse, 1857 für das Rathaus und 1868 für den Berliner Dom. (Letztere Entwürfe sahen als Glockentürme zwei riesige Minarette vor. Sie befinden sich unter den in der Plankammer der Technischen Universität Berlin gesammelten rund 580 Zeichnungen Diebitschs.)

1862 beteiligte sich der Architekt mit einer 4,70 m hohen orientalischen Vase, 1867 mit einem gusseisernen „maurischen Pavillon“ an den Weltausstellungen in London und Paris. Der Versuch, den Pavillon anschließend zu verkaufen, scheiterte zunächst, so dass Diebitsch die Teile in seinem 1857 errichteten großen Wohn- und Werkstatthaus in der Berliner Hafenstraße einlagern musste.

Dennoch brachten die Weltausstellungen für Diebitsch, der 1864 durch die Heirat mit Caroline Friederike Reinhold und die Geburt zweier Kinder ein spätes familiäres Glück gefunden hatte, schließlich auch beruflich die Erfüllung seiner Träume. Der ägyptische Vizekönig Said Pascha, später dessen Nachfolger Ismail Pascha, die Kairo und andere Städte vor der Eröffnung des Suezkanals (1869) modern ausbauen wollten, wurden auf den preußischen Architekten aufmerksam und erteilten ihm zahlreiche Bauaufträge. In Kairo lebende deutsche Geschäftsleute wie der Bankier Carl von Oppenheim schlossen sich an. Hier sei lediglich der Al Jazirah-Palast auf der Nilinsel Zamalek erwähnt, dessen architektonische Strukturen sich in dem heute als Hotel der Marriot-Kette genutzten Komplex erhalten haben.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere erkrankte Carl von Diebitsch 1869 in Kairo an den Pocken und starb am 15. Juni 1869. Sein Grabmal befindet sich auf dem Englischen Friedhof der ägyptischen Hauptstadt. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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