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Klaus Büstrin leitete 20 Jahre das Feuilleton der Potsdamer Neuesten Nachrichten. Seit 2009 schreibt er freiberuflich für „die Zeitung“, wie er seine publizistische Heimat nennt.

© Andreas Klaer

Er ist einer, der gibt: Potsdams Kulturinstanz Klaus Büstrin wird 80 Jahre alt

Seine Heimat ist die Kultur. Viele Hunderte Konzerte, Theaterinszenierungen und Lesungen hat er besucht und rezensiert. Jetzt wird Klaus Büstrin 80 Jahre alt. Auch ein prominenter Kindheitsfreund gratuliert.

Das digitale Archiv der Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) reicht nahezu 21 Jahre zurück. Wer dort unter „Autor“ den Namen „Klaus Büstrin“ eingibt, bekommt exakt 1824 Ergebnisse. So viele Artikel hat der Journalist in den zurückliegenden mehr als zwei Jahrzehnten für die PNN verfasst. Allerdings nur teils hauptberuflich. Denn seit 2009 ist Klaus Büstrin im Ruhestand – angeblich!

In Wahrheit hat der gebürtige Potsdamer und studierte Musikwissenschaftler die vergangenen 15 Jahre vor allem genutzt, um dort zu wirken, wo ihn Überzeugung und Begeisterung packen. Das sind – glücklicherweise – auch die PNN, als deren Feuilletonchef Klaus Büstrin 20 Jahre Verantwortung trug. Noch heute rezensiert er in gekonnter, eleganter Sprache Konzerte, Literatur, Theater, Lesungen für „die Zeitung“, wie er seine publizistische Heimat PNN gern nennt. In diesen Tagen ist er ständig unterwegs, um die Potsdamer Musikfestspiele zu begleiten. Kaum zu glauben, dass Klaus Büstrin heute seinen 80. Geburtstag feiert.

Sein Zuhause war schon immer die Kultur, nicht nur die Potsdamer. Von Kindesbeinen an inszenierte und rezitierte er, las und schrieb. Klaus Büstrin wuchs in Bornstedt auf, sein wichtigster Spielkamerad von damals trägt heute einen prominenten Namen: Es ist Modedesigner und Künstler Wolfgang Joop, 79 Jahre alt.

Wir haben uns die Welt selbst gebaut, und sie war üppig. Wir haben so getan, als wenn Sanssouci uns gehörte.

Wolfgang Joop über seine Kindheit mit Klaus Büstrin

Joop erinnert sich im PNN-Gespräch anlässlich des Geburtstags von Klaus Büstrin sofort an die gemeinsam verbrachte Kindheit. „Alle Bilder werden sofort wach, wenn ich an Klaus denke“, sagt er. Es waren die 1950er-Jahre, beide besuchten die Grundschule Bornstedt. Die Erwachsenen hatten mit der Not der Nachkriegszeit zu kämpfen und wenig Zeit für die Kinder. Die beiden Jungs und ihre Freundin Angela verbrachten, „die meiste Zeit bei Büstrins“, sagt Joop.

Seit Kindertagen Freunde. Klaus Büstrin (l.) und Wolfgang Joop, die in der Nachkriegszeit in Schloss Sanssouci spielten.

© MANFRED THOMAS TSP

Und zwar mit „solchen Spielen, die andere Kinder nicht spielten“, erinnert sich der Designer. Denn Klaus Büstrin führte Regie bei Theaterstücken, lud die Erwachsenen, „die dann gezwungen wurden, Gäste zu sein“, zu Lesungen und Liederabenden ein. Mit Wolfgang und Angela führte er „Hänsel und Gretel“ auf – Wolfgang war Hänsel, Angela Gretel und Klaus die böse Hexe. Für die Bühne wurden Decken in die Türtäfelung geklemmt. Er verlas auch „Macbeth“, aus einem Reclam-Büchlein. „Klaus wurde sehr früh intellektuell“, so Joop. „Angela und ich, wir verstanden die Inhalte erst gar nicht.“

Die Winter waren eine dunkle Zeit, die Sommer in Bornstedt aber waren „kurz und heiß“. Die Kinder waren draußen. Sie erkundeten den direkt benachbarten Park Sanssouci, die Bornstedter Kirche, besuchten den berühmten Staudengärtner Karl Foerster in seinem prachtvollen Garten. „Wir haben uns die Welt selbst gebaut, und sie war üppig.“ Selbst Schloss Sanssouci und das Chinesische Teehaus gehörten zu den Spielplätzen der drei Bornstedter. „Das Schloss war leer, es kam ja niemand“, sagt Joop. „Da durften wir hinein und haben feine Leute gespielt. Wir haben so getan, als wenn Sanssouci uns gehörte.“

Ich sage immer: Man muss Gott in den Ohren liegen mit seinen eigenen Anliegen und den Anliegen der Menschen, die für eine gute Sache leben.

Kulturjournalist Klaus Büstrin

Joop, der später mit der Familie in den Westen umsiedelte, nennt die Kindheit in Bornstedt bis heute als prägend für seine Kunst und Kreativität. Doch nicht nur das: „Klaus und Angela, Sanssouci und die Bornstedter Kirche, das war für mich etwas Stabiles.“ Gut möglich, dass beides genauso für Klaus Büstrin gilt, der nicht nur als Journalist tätig ist, sondern auch als Dramaturg wirkte, und der als Vorleser mit wohltuender, melodischer und gleichsam markanter Stimme viele Anhänger hat.

Lesung mit Klaus Büstrin im Inselhotel Potsdam. Gegeben wurde ein literarischer Konfettiregen mit Texten von Loriot, Hans Scheibner, Theodor Fontane und anderen.

© Manfred Thomas Tsp/MANFRED THOMAS TSP

Was aus dem vollen Klang seiner Stimme spricht, ist das, was Klaus Büstrin auszeichnet: Eine mitfühlende Menschlichkeit, große Empfindsamkeit, die nicht versiegende Neugier auf Menschen und ihr Schaffen. Dazu um- und übergreifendes Fachwissen und die tiefe Kenntnis der Kultur in seiner Geburtsstadt Potsdam. Seine Stimme wird respektiert, doch ihm ist der Respekt ebenso wichtig wie eigen.

Klaus Büstrin ist einer, der gibt. In der Evangelischen Kirche der Stadt engagiert und verwurzelt, ist es auch der Glaube, der ihn leitet – aber ihm ist ebenso zuzutrauen, dass es andersherum ist: Dass er auch den Glauben leitet. Bereits seit den 1970er Jahren ist Büstrin Prädikant, ein ehrenamtlicher Hilfsprediger. Dafür hatte er in Thüringen eine vierjährige kirchliche Ausbildung absolviert, durfte sich danach in der DDR „freier Mitarbeiter für Wortverkündigung“ nennen.

Seine erste Predigt hielt er, so erzählte Büstrin es für einen Bericht des Kirchenmediums evangelisch.de, als er 24 Jahre alt war, ausgerechnet zu Weihnachten. Der Pfarrer war so heiser, dass er nicht sprechen konnte, Klaus Büstrin sollte übernehmen. Er verlas jedoch nicht etwa die vorgeschriebene Predigt – die Schrift sei unleserlich gewesen – sondern seine eigene.

Später schrieb er für jeden Sonntag eine Predigt, nur für den Fall, dass er in einer der Potsdamer Kirchen einspringen müsste. Über das Beten sagt er: „Man muss Gott in den Ohren liegen mit seinen eigenen Anliegen und den Anliegen der Menschen, die für eine gute Sache leben.“

Klaus Büstrins Emotionen können mitreißen, besonders sein herzliches, kräftiges Lachen. Wer so offen ist, sich durchlässig und ungeschützt den Dingen preisgibt, ist auch verletzlich. Das hat Klaus Büstrin immer in Kauf genommen und manches Mal Gefühl gezeigt.

„Klaus’ Geburtstag beglückt mich“, sagt Wolfgang Joop. Gute sieben Jahrzehnte sind die Kindertage von Klaus und Wolfgang her, beide wohnen (noch und wieder) in Bornstedt. „Mittlerweile geht es für uns ja ums Überleben“, so Joop. Da helfe, so möchte er seinem Freund sagen, nur eines: „Das Alter ignorieren und weitermachen.“

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